Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgebirge
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Einfach anfangen! Das ist meine gereifte Entscheidung zum Thema Inklusion. – Marion Dittmann
Seit 2015 gibt es jährlich ein abwechslungsreiches Ferienangebot unter dem Motto „Barrierefrei“. Wir wollen uns damit schon bei Kindern gegen die Entstehung von jeglichen Barrieren im Kopf einsetzen.
Für uns sind Menschen mit Behinderungen quasi die Experten, die Barrieren am besten ausfindig machen und uns dabei helfen können, sie zu beseitigen.
Marion Dittmann: Einfach anfangen! Das ist meine gereifte Entscheidung zum Thema Inklusion. Zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit hatte ich keine Ahnung von Inklusion. Ich begann unwissend in einem technischen Museum als Gästeführerin. Umso mehr empfand ich die Freude von älteren, gehbehinderten oder Rolli-fahrenden Gästen mit, wenn in dem technischen Museum ein historischer Aufzug angeboten wurde, um ihnen von unserem 50 Meter hohen Förderturm aus, einen Rundblick zu ermöglichen.
Interessiert für das scheinbar neue Thema Inklusion, nahm ich Ende 2013 zum ersten Mal an einer entsprechenden Weiterbildung des „LKJ Sachsen e.V.“ in Leipzig teil. Informationen, vor allem aber Eindrücke, ließ ich in unsere museumspädagogische Arbeit einfließen. So etablierten wir ab 2015 jährlich ein abwechslungsreiches Ferienangebot unter dem Motto „Barrierefrei“. Wir wollen uns damit schon bei Kindern gegen die Entstehung von jeglichen Barrieren im Kopf einsetzen.
Jenny Johne: Seit 2018 bin ich nun auch im „Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgebirge“ dabei und erlebe von Anfang an den Wunsch, Barrieren abzubauen. Das ist in einem denkmalgeschützten Gebäudekomplex leider nicht immer so einfach, aber das Bestreben ist da und mit ein wenig Kreativität lassen sich fast immer Wege und Lösungen finden.
Marion Dittmann: In den nächsten beiden Jahren wird unser Museum baulich und inhaltlich erneuert. Das mitgestalten zu können, ist eine schöne und wertvolle Herausforderung. Erfahrungen aus der bisherigen Praxis sind abzuwägen - was soll bleiben, was ist zu modernisieren und welche neuen Möglichkeiten bieten sich.
Jenny Johne: Deshalb luden wir Menschen mit verschiedenen Behinderungen zu Workshops ein. Für uns sind sie quasi die Experten, die Barrieren am besten ausfindig machen und uns dabei helfen können, sie zu beseitigen.
In den bisherigen Treffen brachten alle ihre Wünsche, Anregungen und Bedenken ein. Im Gespräch und im Probieren entwickelten sich ganz neue Einsichten. Es wurden Kompromisse erarbeitet, um unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Und genau dieser gemeinsame Prozess schweißte zusammen. Nun begleitet die Gruppe unsere Erneuerungsarbeit im Museum als Arbeitsgruppe Inklusion weiter.
Interview geführt am: 10. Februar 2021
Das Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgebirge ist in den denkmalgeschützten Industriegebäuden eines früheren Bergwerkes untergebracht. Nach Schließung des Schachtes 1971 wurden sie für den Museumsbetrieb umgebaut. Seit 1986 können sich interessierte Gäste in einem Rundgang mit Anschauungsbergwerk über den sächsischen Steinkohlenbergbau informieren. Bis 2023 wird das Museum nun saniert und umgebaut. Am Ende soll eine komplett neue Ausstellung entstehen. Der inklusive Gedanke steht dabei ganz weit oben.
Marion Dittmann: Einfach anfangen! Das ist meine gereifte Entscheidung zum Thema Inklusion. Zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit Ende der 80er Jahre hatte ich überhaupt keine Ahnung von Inklusion. Ich begann unwissend in einem technischen Museum als Gästeführerin. Umso mehr konnte ich die Freude von älteren, gehbehinderten oder Rolli-fahrenden Gästen mitempfinden, wenn in dem technischen Museum ein historischer Aufzug angeboten wurde, um ihnen von unserem 50 Meter hohen Förderturm aus einen Rundblick zu ermöglichen. Die letzten Stufen wurden die Rollis wie selbstverständlich hochgetragen. Da würde heute mancher die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Doch im Museum lebte der kollegiale Geist des Bergbaus.
Nach der politischen Wende standen neue Möglichkeiten zur Verfügung, doch Zukunft und Finanzierung waren sehr ungewiss. Trotzdem entschieden die Verantwortlichen, in zwei Treppenlifts zu investieren. Der damalige Vorsitzende des Behindertenverbandes des Landkreises bot sich sozusagen selbst als erster Tester an. Damit hatten wir ein zugegeben kleines, aber bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal in der Region. Das haben wir auch stolz als solches vorgeführt, genutzt und beworben. Die Resonanz war positiv. Gleichzeitig kamen dann aber weitere Notwendigkeiten hinzu: Toiletten, angekippte Spiegel, um sich aus der Rollstuhl-Sitzhöhe wirklich sehen zu können, usw. - Dinge, an die wir nie allein gedacht hätten.
Das machte nachdenklich, anderes sogar demütig. So ist das Thema Licht im Bergbau äußerst wichtig. Spielerisch wurde es Besuchern erlebbar gemacht, indem die Beleuchtung während der Führung kurz ausgeschaltet wurde. Bei Gruppen mit blinden Gästen war dies nicht nötig. Doch bei diesen Führungen dachten wir oft krampfhaft über unsere Wortwahl nach, um ja keine Formulierungen wie „hier können sie sehen…“ zu benutzen. Wie erleichternd war es, als ich während der Führung einer Gruppe von sehbeeinträchtigten Kindern eines rufen hörte: „Lass mich mal angucken.“
Sehr bewusst bemühe ich mich um die Begegnung mit jedem Menschen auf Augenhöhe.
Menschen stehen für mich immer im Mittelpunkt, ob als Gäste oder als Mitarbeitende, ob Kinder oder Erwachsene, mit oder ohne Einschränkungen.
Interessiert für das scheinbar neue Thema Inklusion, nahm ich Ende 2013 zum ersten Mal an einer entsprechenden Weiterbildung des „LKJ Sachsen e. V.“ in Leipzig teil. Informationen, vor allem aber Eindrücke, ließ ich in unsere museumspädagogische Arbeit einfließen. So führen wir seit 2015 jährlich ein abwechslungsreiches Ferienangebot unter dem Motto „Barrierefrei“ durch. Wir wollen uns damit schon bei Kindern gegen die Entstehung von jeglichen Barrieren im Kopf einsetzen.
Jenny Johne: Das war auch die Zeit, als ich meine ersten Erfahrungen mit dem Thema Inklusion machte. Damals arbeitete ich als Studentin in einem kleinen Verlag für Einfache Sprache. Hier ging es darum einfachen Lesestoff anzubieten. Der Verlag arbeitete eng mit Vereinen und Verbänden zusammen. Für mich war das Thema damals Neuland, aber es war spannend und ließ in mir ein wertvolles, neues Bewusstsein wachsen.
Marion Dittmann: Im Museum entwickelte sich besonders mit der engagierten Senioren- und Behindertenbeauftragten des Erzgebirgskreises, Frau Dittrich, eine befruchtende, angenehme Zusammenarbeit. Aber auch viele andere wurden gute Partner, sympathisch und bewundernswert humorvoll. Und dies ist eine menschliche Eigenschaft, deren positive Wirkung ich ebenfalls aus dem Bergbau heraus und dem hier typischen Humor kennen- und schätzen gelernt habe. So trat in einem Ferienprogramm ein tolles Gesangstrio von Damen mit Sehbeeinträchtigungen auf. Nicht nur deren Lied-Repertoire war lustig und erfrischend, sondern schon in ihrem Chornamen spiegelt sich ihr Humor wider: Sie nennen sich „Die blinden Hühner“.
Natürlich gab es auch ein paar weniger schöne Erfahrungen. Genauso wie eine Behinderung nicht per se eine Einschränkung sein muss, so sind behinderte Menschen nicht automatisch bessere Menschen. Nachdem ich so viele angenehme Begegnungen hatte, war es bei der Vorbereitung einer Veranstaltung sehr ernüchternd zu erleben, dass zwei Vereine menschlich gar nicht miteinander konnten. Wir mussten sie sogar räumlich getrennt aufbauen und arbeiten lassen.
Jenny Johne: Seit 2018 bin ich nun auch im „Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgebirge“ dabei und erlebe von Anfang an den Wunsch, Barrieren abzubauen. Das ist in einem denkmalgeschützten Gebäudekomplex leider nicht immer so einfach, aber das Bestreben ist da und mit ein wenig Kreativität lassen sich fast immer Wege und Lösungen finden.
Marion Dittmann: In den nächsten beiden Jahren wird unser Museum baulich und inhaltlich erneuert. Das mitgestalten zu können, ist eine schöne und wertvolle Herausforderung. Erfahrungen aus der bisherigen Praxis sind abzuwägen: Was soll bleiben, was ist zu modernisieren und welche neuen Möglichkeiten bietet (und wünscht) die neue Zeit und das zukünftige Publikum?
Wir benötigten zum Beispiel endlich Übersichtsmodelle zur Orientierung innerhalb der musealen Anlage, als auch für die Strecken unter Tage. Entwicklung und Anschaffung zweier Modelle sind mit Hilfe der Förderung durch die Sächsische Landesstelle für Museumswesen gelungen.
Während des Entstehungsprozesses haben wir wieder vieles dazugelernt, ausgebaut und überarbeitet. Wir profitierten dabei vielfältig von der großartigen Unterstützung, Flexibilität und fachlichen Beratung durch die Landesstelle. So wurden wir angehalten, nach dem Grundsatz zu planen und zu arbeiten: „Nie für uns (Behinderte) ohne uns (Behinderte)“.
Jenny Johne: Zu Workshops luden wir Menschen mit verschiedenen Behinderungen ein. Für uns sind sie quasi die Experten, die Barrieren am besten ausfindig machen und uns dabei helfen können, sie zu beseitigen.
Obwohl die erwähnten Modelle als Tastmodelle zunächst als Unterstützung für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen gedacht waren, können sie für alle nutzbringend sein. Als Exponate sollen sie ja jeden Besuchenden ästhetisch und inhaltlich ansprechen. In den bisherigen drei Workshop-Treffen brachten alle ihre Wünsche, Anregungen und Bedenken ein: Unsere Experten ihre Bedürfnisse, wir Museumspädagoginnen unsere didaktischen Vermittlungsansätze und die Modellbaufirmen ihre Möglichkeiten. Im Gespräch und beim Probieren entwickelten sich ganz neue Einsichten. Es wurden Kompromisse erarbeitet, um unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Und genau dieser gemeinsame Prozess schweißte zusammen, hatte etwas Demokratisches und brachte so viel Freude, die ansteckte.
Nun begleitet die Gruppe unsere Erneuerungsarbeit im Museum als „Arbeitsgruppe Inklusion“ weiter. Denn es gibt nach wie vor viel zu tun! Neben der neuen Dauerausstellung ist unsere Webseite ein großes Projekt, das wir angehen müssen. Schließlich findet heute der erste Kontakt bei den meisten online statt. Dort informiere ich mich über den Ort, was mich erwartet und wie ich da überhaupt hinkomme. Deshalb sollten diese Informationen zwingend barrierefrei sein.
Erfreulicherweise bieten sich umgekehrt Ansätze, sodass unsere Einrichtung auch als Plattform für Veranstaltungen der engagierten und vernetzten AG-Mitglieder dienen kann.
Ein weiteres Beispiel der fruchtbaren Zusammenarbeit ist wiederum unser Museumsturm. Wir waren sehr enttäuscht zu erfahren, dass von modernen, baulichen und vor allem brandschutztechnischen Gesichtspunkten aus, Gehbehinderte und Rollifahrer zukünftig nicht mehr nach oben können, da eine Rettung im Brandfall unmöglich ist bzw. entsprechende Gegenmaßnahmen unbezahlbar scheinen. Doch in der gemeinsamen Unterhaltung und Überlegung fanden wir den Lösungsansatz in der digitalen Welt: Über VR-Brillen* lassen sich die Eindrücke vermitteln. Auch Gäste mit Höhenangst können dieses Angebot nutzen. Inklusion ist für alle da.
Marion Dittmann: Es gibt immer einen Weg. Machen wir uns also auf, los geht’s: Anfangen!
*Anmerkung der Redaktion: Mit einer VR-Brille tauchen Nutzer in künstlich erzeugte 3D Welten ein. „VR“ steht für „Virtual Reality“.
Mehr zu Museum und Umbau: https://www.bergbaumuseum-oelsnitz.de/
Interview geführt am: 10. Februar 2021
Hallo!
Wir sind Marion Dittmann und Jenny Johne aus Oelsnitz.
Marion Dittman:
Zum Thema Inklusion denke ich:
Einfach anfangen!
Ich arbeite im Museum.
Am Anfang hatte ich keine Ahnung von Inklusion.
Ich habe als Gäste-Führerin in einem technischen Museum gearbeitet.
Manchmal hatte ich Menschen mit Geh-Behinderung unter den Gästen.
Sie konnten unseren alten Aufzug benutzen.
So hatten sie vom 50 Meter hohen Turm einen tollen Ausblick.
Das hat mich immer gefreut.
Das Thema Inklusion hat mich interessiert.
Deshalb habe ich im Jahr 2013 einen Kurs gemacht.
Das war bei LKJ Sachsen e.V. in Leipzig.
LKJ Sachsen ist die Abkürzung für:
Landes-Vereinigung Kulturelle Kinder- und Jugend-Bildung Sachsen e.V.
In dem Kurs habe ich einiges gelernt.
Das habe ich in meiner Arbeit im Museum angewendet.
Ab dem Jahr 2015 haben wir das Ferien-Programm Barriere-frei angeboten.
Wir wollen:
Schon Kinder sollen Barriere-Freiheit kennen-lernen.
Kinder mit und ohne Behinderung können zusammen beim Ferien-Programm mitmachen.
Jenny Johne:
Seit dem Jahr 2018 bin ich auch im Berg-Bau-Museum Oelsnitz dabei.
Von Anfang an arbeiten wir an der Barriere-Freiheit.
Das ist in diesem alten Gebäude nicht immer einfach.
Aber wir finden fast immer Lösungen.
Marion Dittman:
In den nächsten 2 Jahren wird unser Museum neu gemacht.
Es gibt Umbau-Arbeiten.
Und die Ausstellungen werden neu gemacht.
Ich freue mich sehr, dass ich das mit-gestalten kann.
Das ist eine schöne Herausforderung für mich.
Ich habe ja auch schon Erfahrungen sammeln können.
Und so kann ich sagen:
Das kann bleiben.
Das muss neu gemacht werden.
Jenny Johne:
Wir haben Menschen mit verschiedenen Behinderungen eingeladen.
Sie haben uns beraten.
Für uns sind sie die Expert*innen zum Thema Barriere-Freiheit.
Sie können uns sagen:
Das sind Barrieren.
Die müsst ihr beseitigen.
Wir treffen uns jetzt regelmäßig.
Daraus ist die Arbeits-Gruppe Inklusion geworden.
Die Arbeits-Gruppe begleitet die Umbau-Arbeiten vom Museum.
Das Gespräch war am 10. Februar 2021.
Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgebirge
Kurztext in Gebärdensprache (das Video besitzt keinen Ton und keinen Untertitel):
Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgebirge
Bildbeschreibung und Einsprache des Kurztextes: