Ich bin Taddeus, 23 Jahre alt und Student der Angewandten Medienforschung an der TU Dresden. Im Studium habe ich Erfahrungen mit der Aufnahme von Podcasts gemacht. Dadurch bin ich zur LAG SH Sachsen gekommen, weil dort für ein Podcast-Projekt ein junger Mensch gesucht wurde, der selbst keine Behinderung hat. Vorher hatte ich kaum Berührungspunkte mit Inklusion. Deswegen ist dieses Thema für mich auch besonders interessant, weil es eine Auseinandersetzung schafft, die man sonst gesellschaftlich nicht unbedingt hat. Dafür bin ich sehr dankbar.
Die Grundidee des Podcasts „Weil Vielfalt fetzt“ ist es, dass ich ohne Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Behinderung in das Gespräch hinein gehe. Es geht nicht darum, dass mein Gesprächspartner und ich perfekt harmonieren, sondern dass ein Verständnis geschaffen wird. Damit steht aber auch ein großer Raum für Fehler oder unangenehme Momente zur Verfügung. Die gab es bisher eigentlich nicht wirklich, weil der anderen Person klar war, dass ich einige Fragen stellen werde, die „blöd“ sein könnten.
Bisher waren meine Begegnungen sehr bereichernd. Ich habe gelernt, dass Berührungsängste und die Mitleidsperspektive fehl am Platz sind. Weil die Leute, die ich bisher getroffen habe, gesagt haben: „Ich lebe damit und es ist normal für mich. Ich kann offensichtlich ein glückliches Leben führen und mich arrangieren. Klar gibt es Sachen, die sind anders, aber nicht unbedingt schlechter.“ Und das ist eine wichtige Einsicht, die dann kam. Dass man, wenn man einen Menschen mit Behinderung vor sich hat, nicht zum ihm sagt: „Ach, du Armer.“ Oder dass man besonders einfühlsam mit ihm umgehen muss. Denn es ist einfach nur eine Andersartigkeit. Diese Erkenntnis fand ich sehr hilfreich im Umgang miteinander. Einfach normal mit Leuten umzugehen.
Aktuell finde ich es wichtig, dass das Podcast-Projekt bei jungen Menschen gut ankommt, die nicht betroffen sind. Wir wollen Menschen erreichen, die Berührungsängste hatten und vielleicht immer noch haben. Wir wollen ihre Neugier wecken, Barrieren abbauen, Wissen schaffen und Prozesse anstoßen.
Interview wurde geführt am: 28. Oktober 2022
Ich bin Taddeus, 24 Jahre alt und Student der Angewandten Medienforschung im Master an der TU Dresden. Zurzeit bin ich im Quartieri Spagnoli, einem engen, chaotischen und lauten Stadtteil von Neapel. Der Stadt in Italien, die sich sehr vom Rest von Italien unterscheidet. Ich mache hier gerade meinen Erasmusaufenthalt. Es macht Spaß, aber es ist auch eine Herausforderung. Ich bin jetzt seit sechs Wochen hier.
Im Studium habe ich Erfahrungen mit der Aufnahme von Podcasts gemacht. Seit Januar 2022 war ich bei einigen Podcasts als Gast eingeladen. Durch diese Erfahrungen bin ich zur LAG SH Sachsen gekommen, weil dort gesagt wurde: „Wir wollen ein Podcast-Projekt machen. Dafür brauchen wir einen jungen Menschen, der selbst keine Behinderung hat, aber bereits Erfahrungen mit Podcasts sammeln konnte.“ Da habe ich ziemlich gut reingepasst. So bin ich zum Thema Inklusion und Menschen mit Behinderung gekommen. Vorher hatte ich eigentlich kaum Berührungspunkte. Deswegen ist es für mich auch besonders interessant, weil es eine Auseinandersetzung schafft, die man sonst gesellschaftlich nicht unbedingt hat. Dafür bin ich sehr dankbar.
Die Grundidee unseres Podcasts mit dem Namen „Weil Vielfalt fetzt“ ist es, dass ich ohne Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Behinderung in das Gespräch hinein gehe. Es geht auch nicht darum, dass mein Gesprächspartner und ich perfekt harmonisieren, sondern dass ein Verständnis geschaffen wird. Und das dementsprechend auch ein großer Raum für Fehler oder unangenehme Momente zur Verfügung steht. Die gab es bisher eigentlich nicht wirklich, einfach nur deshalb, weil der anderen Person klar war, dass ich einige Fragen stellen werde, die „blöd“ sein können. Oder ich stelle Fragen, die zum Beispiel für Rollstuhlfahrer total gängig sind und damit Fragen, die man immer wieder hört. Deshalb sind die Begegnungen im Podcast total ungezwungen. Wenn man aber im Rahmen einer „normalen“ gesellschaftlichen Situation aufeinandertrifft, beispielsweise freundschaftlich oder im Arbeitsumfeld, dann ist es ja ein bisschen anders. Es ist spontan und unvorbereitet. Und ich glaube, das ist dann noch mal eine ganz andere Situation, als wenn man das in so einem kontrollierten Kontext hat.
Bisher haben wir im vergangenen Sommer schon vier verschiedene Personen interviewt. Diese Aufnahmen werden jetzt Stück für Stück veröffentlicht. Und schon bis hierher war es sehr bereichernd für mich.
Ich habe auch in einer dieser ersten Podcast Folgen bereits erzählt, dass ich früher als Kind Berührungsängste hatte. Zum Beispiel bei Menschen, denen eine Gliedmaße fehlte. Oder wenn eine Person sich äußerlich oder im Verhalten unterschieden hat, dann war ich erstmal so wie: „Huch, was ist das denn, das ist ja komisch.“ Und habe mich von den Personen ferngehalten. Mir ist es nicht peinlich, dass ich als Kind ängstlich war, aber es stimmt schon, dass Kinder eigentlich von Natur aus sehr neugierig sind. Wenn etwas anders ist, dann finden es Kinder eigentlich immer erst einmal interessant.
Ich erinnere mich an einen Freund in der Schule, dem ein Finger fehlte. Aber das war auch schon ein bisschen komisch, weil ich nicht wusste wie man sich die Hand gibt, ob das merkwürdig ist. Aber man gewöhnt sich sofort daran, wenn man diese Begegnung hatte. Das ist genau das Ding, man muss den Zugang haben. Und das ist schwer zu erreichen, außer man hat es im Freundeskreis oder in der Familie. Weil man sonst die Berührungsängste hat und nicht weiß, wie gehe ich jetzt mit der Person respektvoll um. Gehe ich jetzt auf die Behinderung ein, oder nicht?
Ich glaube es ist eine Sache von Wahrnehmung. Meine Ängste als Kind waren aber nicht nur auf Menschen mit Behinderung geprägt, sondern auch auf sehr alte Menschen. Ich war damals als Kind in einem Altersheim und fand sehr alte Menschen ein bisschen gruselig, weil sie eine besonders große Brille und große Augen hatten und besonders faltige Haut. Ich bin jetzt aber als junger Erwachsender viel neugieriger geworden. Ich bin also nicht mehr so ängstlich. Und hatte deshalb auch keine großen Sorgen vor den Gesprächen. Es ist sogar gut, dass ich ganz naiv in die Gespräche gehen und auch blöde Fragen stellen kann. Und das hat auch immer super funktioniert.
Bisher waren meine Begegnungen, vor allem auch durch den Podcast, sehr bereichernd. Ich erinnere mich daran, dass ich jetzt im Laufe des Sommers, also währenddessen das Podcast-Projekt schon anlief, immer mal Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderung hatte. Zum Beispiel mit einer Person mit einer spastischen Lähmung. Oder auch mit André, der Rollstuhlbasketball spielt und in einer kommenden Folge zu hören sein wird. Ihn habe ich vorher im studentischen Kontext auf einer freundschaftlichen Ebene kennengelernt. Aber Rollstuhlfahrer sind ja im Prinzip in der Gesellschaft relativ ‚normal‘ beziehungsweise das Gängigste. Das Rollstuhl-Symbol ist das, was man sieht, wenn man zum Beispiel ein Behinderten-WC hat.
Und neben diesen Berührungsängsten ist es ganz wichtig, dass diese Opferperspektive oder die Mitleidsperspektive fehl am Platze ist. Weil die Leute, die ich bisher getroffen habe, gesagt haben: „Ich lebe damit, es ist einfach so und es ist normal für mich. Und ich kann offensichtlich ein normales und glückliches Leben führen und mich arrangieren. Klar gibt es Sachen, die sind anders, aber nicht unbedingt schlechter.“ Und das ist eine wichtige Einsicht, die dann kam. Dass man, wenn man einen Menschen mit Behinderung vor sich hat, nicht zum ihm sagt: Ach, du Armer. Oder dass man besonders einfühlsam mit ihm umgehen muss. Denn es ist einfach nur eine Andersartigkeit. Diese Erkenntnis fand ich sehr hilfreich im Umgang miteinander. Einfach normal mit Leuten umzugehen.
Was ich interessant finde, ist das Wort „Barrierefreiheit“. Ich habe für mich festgestellt, dass der Begriff „Barrierefreiheit“ eine weitere und eine engere Bedeutung hat. Im engeren Sinne geht es darum, physische Barrieren abzubauen und Zugang zu schaffen, zu Informationen und Örtlichkeiten. Im weiteren Kontext geht es vor allem darum, die Barrieren in den Köpfen abzubauen. Das fand ich sehr interessant. Im übertragenen Sinne bedeutet es, dass wir eine barrierefreie Gesellschaft schaffen wollen – im Umgang miteinander und im Verständnis voneinander. Das finde ich eigentlich noch viel wichtiger. Nur so können wir Barrierefreiheit in der Welt richtig planen und umsetzen.
Mittlerweile nehme ich jetzt wahr, wo Barrierefreiheit umgesetzt wird. Bezüglich Menschen im Rollstuhl ist das natürlich häufig der Fall, weil man das am besten beobachten kann. Abgesehen vielleicht noch von besser lesbarer Schrift für Sehbehinderte oder Braille für Blinde. Für diese Dinge habe ich jetzt mehr ein Auge. Wie zugänglich zum Beispiel sind Orte. Ich merke, dass ich im Umgang mit Menschen viel aufgeschlossener bin. Es ist mir total egal geworden, ob sich Menschen anders verhalten oder anders aussehen. Da sind die Berührungsängste komplett weg. Für mich ist das jetzt ein ganz normaler Mensch, der genauso wie ich Bedürfnisse hat und einfach mit der Situation arbeitet, in der er ist.
Während der Aufnahmen im Sommer habe ich auch gemerkt, dass ich sensibler bin, was Inklusion betrifft. Das ist vielleicht auch ein bisschen ein Streitthema. Ich merke, dass wenn ein Mensch mit Behinderung im Raum ist, ich versuche, ihm eine Gleichstellung im sozialen Kontext zu geben. Das diese Person genauso sozial interagieren kann, wie alle anderen. Das es irgendwie fair abläuft. Es kann sein, dass das manche nicht wollen. Weil ich in die Autonomie des Menschen eingreife. Es ist halt immer so eine Sache. Hilfe angeboten zu bekommen, erzeugt immer verschiedene Reaktionen. Ich kann mir vorstellen, dass es einige gibt, die sagen: Alles gut, ich komme hier sehr gut klar. Ich möchte gerade keine Extrabehandlung oder so was. Die nehmen es dann vielleicht als störend oder unangenehm war. Das kann ich mir gut vorstellen.
Im Kindesalter hätte es mir gutgetan, einfach einen Rahmen gehabt zu haben, in dem Vielfalt thematisiert wird. Mit einem riesengroßen Bilderbuch oder anderen Dingen zu zeigen, wie Menschen aussehen können. Das ist ja nicht nur bei Behinderung wichtig, sondern allgemein. Einfach das man Vielfalt gelehrt bekommt. Das hat mir gefehlt. Ich erinnere mich nicht daran, dass es das bei mir gegeben hat und dieser AHA-Effekt da war. Es gab eher diese Schablone, wie der ideale Mensch auszusehen hat.
Für mich wird es spannend sein, vor allem auch außerhalb des Podcasts, mehr Interaktionen zu haben. Besonders weil ich jetzt immer nur ‚einem‘ Menschen begegnet bin, der eine spezifische Behinderung hat und etwas dazu erzählt hat. Bei jeder Behinderung, zum Beispiel bei kognitiven Einschränkungen oder Autismus, gibt es ja so viele verschiedene Formen und deshalb wird jeder Mensch auch anders sein. Justus, der sehbehinderte Fotograf, oder André, der Rollstuhlbasketballer, sind ja alle beide Persönlichkeiten. Da wird es ja auch in Meinungen und Weltanschauungen Unterschiede geben. Ich bin deshalb sehr gespannt, was noch für andere Meinungen in den kommenden Gesprächen auftreten werden. Da gibt es ja nicht nur einen Weg.
Aktuell finde ich es wichtig, dass das Podcast-Projekt bei jungen Menschen gut ankommt, die nicht betroffen sind. Es ist natürlich schön, dass ich etwas dazulerne und sensibler werde. Aber das ist ja nur ein kleiner Nebeneffekt. Ich bin ja quasi nur das Fahrzeug, auf dem dieser Prozess stattfindet. Wir wollen Menschen erreichen, die wie ich früher Berührungsängste hatten und vielleicht immer noch haben. Wir wollen ihre Neugier wecken, Barrieren abbauen, Wissen schaffen und Prozesse anstoßen. Das können Denkprozesse sein, das können Verhaltensänderungen sein. So was fände ich total wichtig und das ist auch das Ziel des Projekts. Wir hoffen, dass wir den Podcast nicht in den leeren Raum machen, sondern dass er auch ankommt. Dafür zu sorgen, ist jetzt ganz wichtig. Dass Menschen, die Inklusion nicht auf dem Schirm haben, sich für unseren Podcast interessieren und reinhören.
Hallo!
Ich bin Taddeus, 23 Jahre alt.
Ich studiere Medien an der Technischen Uni Dresden.
Im Studium habe ich gelernt, wie man Podcasts macht.
Podcasts sind Sendungen zum Anhören.
Die Selbsthilfe Sachsen hat einen jungen Menschen gesucht, der selbst keine Behinderung hat.
Da habe ich mich sofort gemeldet.
Vorher hatte ich nichts mit Menschen mit Behinderung zu tun.
Das Thema ist neu und sehr interessant für mich.
Ich bin sehr dankbar, dass ich mich damit beschäftigen darf.
Unser Podcast heißt:
Weil Vielfalt fetzt
Und das ist die Idee vom Podcast:
Ich spreche mit Menschen mit Behinderungen.
Und zwar ohne Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Behinderung zu haben.
Im Gespräch geht es um das Verständnis für den anderen.
Man darf auch Fehler machen.
Oder blöde Fragen stellen.
Bisher gab es noch keine unangenehmen Situationen.
Die Menschen mit Behinderung wussten, dass ich vielleicht blöde Fragen stellen werde.
Bisher waren meine Gespräche immer sehr schön.
Ich habe viel über andere Menschen erfahren.
Ich habe viel von ihnen gelernt.
Ich habe gelernt, dass Ängste nichts bringen.
Und dass Mitleid nichts bringt.
Meine Gesprächs-Partner*innen haben mir gesagt:
Ich lebe mit meiner Behinderung und mein Leben ist normal für mich.
Ich kann ein glückliches Leben führen.
Manche Sachen sind anders.
Aber nicht unbedingt schlechter.
Diese Sätze waren sehr wichtig für mich.
Ich weiß jetzt:
Man muss nicht besonders einfühlsam mit Menschen mit Behinderung umgehen.
Es bringt auch nichts, wenn man sagt:
Du Armer.
Man muss die Menschen nehmen, wie sie sind.
Einfach normal mit ihnen umgehen.
Auch wenn sie anders sind.
Ich wünsche mir, dass viele junge Leute unseren Podcast hören.
Auch Leute ohne Behinderung.
Wir wollen Menschen erreichen, die Angst vor anderen Menschen haben.
So dass sie die Angst verlieren können.
Wir wollen Neugier wecken, Hürden abbauen und Wissen schaffen.
Und wir wollen, dass Menschen aufeinander zugehen.
Das Gespräch war am 28. Oktober 2022
Der Text wurde vom Zentrum Leichte Sprache geprüft (Prüfzertifikat (PDF))
Taddeus
Kurztext in Gebärdensprache (das Video besitzt keinen Ton und keinen Untertitel):