Ich bin Sedef. Ich habe die Krankheit „Retinitis Pigmentosa“. Sie kann vererbt werden. Ich bin fast blind, aber nicht von Geburt an. Früher konnte ich normal sehen. Das hat sich dann über die Jahre hinweg zunehmend verschlechtert.
Nach meinem Abitur bin ich für mein Psychologiestudium nach Dresden gezogen. 2014 habe ich mit dem Bachelor angefangen. Für das Studium habe ich mehr Zeit gebraucht, da meine Augen immer schlechter wurden. Deshalb musste ich mir auch die Punktschrift beibringen, jedoch nur die normale Vollschrift. Meine Professorinnen und Professoren waren aber bisher alle cool, da sie bereits sehr sensibilisiert sind und schon viele sehbehinderte Studierende hatten.
Ich bewerbe mich zurzeit um Klinikstellen, damit ich meine Psychotherapieausbildung beginnen kann. In meinen Bewerbungen kommuniziere ich direkt, dass ich blind bin. Das steht auch so in meinem Anschreiben. Mein Ziel ist es, dass mich eine Psychiatrie einstellt, damit ich dort meine Praxisstunden absolvieren kann. Für die Kliniken wäre es eine Chance sich der Inklusion von blinden Menschen gegenüber zu öffnen. Zudem kann meine Blindheit auch ein Vorteil sein, weil ich Menschen nicht nach ihrem Aussehen beurteilen kann, sondern nur nach dem, was sie sagen.
Ich wünsche mir, dass sich Arbeitgeber einfach mehr öffnen und dass der Spruch „schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber sind ausdrücklich erwünscht“ nicht nur eine Floskel bleibt, sondern dass es auch umgesetzt wird und die Menschen ihre Ängste verlieren. Das Erfüllen der Inklusionsquote und das Vermeiden der Strafzahlung sollten nicht die einzige Motivation sein, Inklusion zu leben.
Auch von Leuten mit Behinderung aus meiner Szene wünsche ich mir, dass sie sich trauen, mehr auf Leute zuzugehen. Ich würde mir von allen Seiten mehr Offenheit wünschen.
Interview geführt am: 17. Mai 2022
Ich bin Sedef und 29 Jahre alt. Ich bin fast blind, aber nicht von Geburt an. Früher konnte ich normal sehen. Das hat sich dann über die Jahre hinweg zunehmend verschlechtert. Meinen Eltern ist sehr früh aufgefallen, dass ich geschielt habe, zu nah am Fernseher saß oder immer näher an das Buch gerückt bin. Daraufhin wurden meine Eltern skeptisch, und wir haben verschiedene Kliniken aufgesucht. Die Krankheit, die ich habe, nennt sich Retinitis Pigmentosa. Sie kann vererbt werden. Allerdings hat die Krankheit in meiner Familie niemand, wobei es aber auch möglich ist, dass vor vielen Generationen jemand daran erkrankt war und ich es jetzt einfach bekommen habe.
Im Alter von sieben Jahren hat sich mein Sehvermögen innerhalb eines Jahres sehr verschlechtert. Im ersten Schulhalbjahr saß ich noch in der letzten Reihe und konnte gut mitschreiben. Im zweiten Halbjahr saß ich dann quasi direkt vor der Tafel. Irgendwann haben wir erkannt, dass das für mich keinen Sinn mehr ergibt. Und dann bin ich auf eine Sehbehindertenschule in Nürnberg gewechselt. Dort habe ich die Grundschule besucht und ein Jahr die Hauptschule. Mit dem Gymnasium hat es nicht auf Anhieb geklappt. Ich wollte allerdings Abitur machen und bin auf eine Regelschule gewechselt, also auf eine Schule für Kinder ohne Sehbeeinträchtigung. Damals waren die technischen Mittel allerdings noch nicht so gut wie heute. Ich hatte einen riesigen Laptop mit Schwenkarm und Kamera. Außerdem hatte ich noch ein anderes, großes Gerät mit Video- und Kameraschaltungsfunktion. Man konnte den Bildschirm halbieren, damit man zum Teil auf die Tafel schauen konnte und trotzdem noch eine Lupe hatte. Das konnte ich alles noch gut nutzen, aber es wurde für mich immer schwieriger mitzukommen, da meine Augen immer schlechter wurden. Mit 13 oder 14 habe ich dann die Blindenstudienanstalt Marburg entdeckt. Das ist ein Gymnasium in Hessen für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler. Dorthin bin ich gewechselt und habe mein Abitur gemacht. Das war ein Internat, was ich ziemlich cool fand. Man konnte sehr viele Aktivitäten machen wie zum Beispiel Ski fahren, Rudern oder Kajak fahren. Das waren Aktivitäten, die ich, wenn ich bei meinen Eltern geblieben wäre, nicht hätte machen können. Die Lehrer dort haben mehr Zeit, einem solche Dinge beizubringen, und auch die sonderpädagogische Ausbildung dafür.
Nach meinem Abitur bin ich dann für mein Psychologiestudium nach Dresden gezogen. 2014 habe ich mit dem Bachelor angefangen. Für das Studium habe ich mehr Zeit gebraucht, da meine Augen immer schlechter wurden. Daher habe ich mir die Punktschrift beigebracht, aber nur die normale Vollschrift. Ich habe mich um eine Braillezeile gekümmert und versucht die Sprachausgabenfunktion zu verstehen. Daher hat sich mein Studium verzögert. Vor dem Studium konnte ich noch mit der Lupe am Bildschirm arbeiten. Da ich ein sehr visueller Mensch bin, musste ich mein Gehirn sozusagen umprogrammieren. Vokabeln habe ich mir zum Beispiel ein paar Mal angesehen und hatte sie dann im Kopf. So konnte ich mir auch Formeln sehr schnell merken. Es hat sehr lange gedauert, bis ich das mit den Ohren genauso gut konnte. Das hat sich dann auf die Dauer meines Studiums ausgewirkt, wobei mir das eigentlich egal ist. Ich musste ja irgendwie arbeiten können, deshalb habe ich mich nicht stressen lassen.
Nebenbei bin ich noch ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgegangen und habe zum Beispiel für zwei Jahre bei einer Art Telefonseelsorge gearbeitet. Während der Pandemie haben mich auch privat viele Leute angerufen und um Rat gefragt. Das hat sehr gut mit meinem Studium zusammengepasst, da wir im Rahmen eines E-Mental Health Seminars ein Projekt hatten, bei dem wir Module erstellt haben, deren Inhalt es war, wie man die Widerstandsfähigkeit in der Pandemiezeit stärken kann. Das hat also sehr gut gepasst.
Eigentlich wollte ich in Hamburg studieren. Allerdings haben mich dann die Mietpreise dort abgeschreckt. Aber ich hatte auch gehört, dass Dresden sehr gut für das Psychologiestudium sein soll und die TU Dresden Unterstützung für blinde Studierende anbietet. Ich hätte auch in Marburg bleiben können, da es dort auch gute Unterstützungsmöglichkeiten gibt. Aber ich wollte dort weg, weil ich dort bereits über sieben Jahre war und eine neue Stadt erkunden wollte. So bin ich dann nach Dresden gekommen.
Ich schicke den Dozenten vor dem Kurs eine E-Mail, um mich vorzustellen und sie zu bitten, die Unterlagen einen Tag vorher hochzuladen oder mir direkt zu schicken, falls ich die Plattform einmal nicht bedienen kann. Alle Professoren, die ich im Bachelor- und Masterstudium bisher hatte, waren sehr cool. Ich hatte mit niemandem Stress und musste keinem hinterherrennen. Die Professorinnen und Professoren hier sind bereits sehr sensibilisiert und hatten schon viele sehbehinderte Studentinnen und Studenten.
Außerdem sollte man beim Prüfungsamt einen Nachteilsausgleich beantragen. Das bedeutet, dass man für Prüfungen mehr Zeit zur Verfügung hat als Sehende. Man muss die Informationen ja erstmal verarbeiten, damit man die Aufgaben versteht. Manchmal sind Texte auch nicht sofort zugänglich. Man muss vorher auch erst einmal mit einem Testdokument prüfen, ob das Dokument barrierefrei ist. Dafür hat sich Frau Winkler von der Arbeitsgruppe Services Behinderung und Studium an der TU Dresden auch sehr eingesetzt. Sie hat mit den Professorinnen und Professoren diese Dinge besprochen, um uns diesen Schritt abzunehmen. Es ist sehr cool, dass wir diese Dinge können, aber es ist auch ein Zeitaufwand, den Sehende nicht haben. Ich muss mir die Zeit nehmen, zu schauen, ob dieses Dokument funktioniert. Auch die Korrespondenz mit sehr vielen Leuten braucht eine Menge Zeit, um sicherzustellen, dass man das bekommt, was man braucht. Der Sehende macht sich über diese Dinge keine Gedanken. Er geht in die Prüfung, schreibt die Prüfung und hat auch eine gewisse Anonymität. Diese habe ich nicht. Man weiß sofort, wer die Prüfung geschrieben hat. Man braucht ein dickes Fell und darf genervte Randbemerkungen nicht persönlich nehmen. Ich habe mir meine Sehbeeinträchtigung auch nicht ausgesucht. Man darf sich dafür nicht entschuldigen. Die Uni hat mich immatrikuliert und muss mir daher auch ermöglichen, mein Studium zu schaffen. Die TU Dresden kann das aber gut.
Ich bin nicht so engagiert in den ganzen Gruppen für Studierende mit Behinderungen. Auf Social Media bin ich in manchen blindenspezifischen, deutschlandweiten Gruppen aktiv. Dort geht es um eher allgemeinere Themen wie die Funktionsweise des Handys oder der Waschmaschine, oder wie man manche Hobbies ausführen kann.
Früher habe ich mal Poledance gemacht. Das ist ein Kraftakt für den ganzen Körper, hat mir aber sehr viel Spaß gemacht. Wir waren in einer sehr kleinen Gruppe. Die Trainerin hat sehr viel Rücksicht auf mich genommen. Sie hat alles sehr gut beschrieben. Ich hatte das Gefühl, dass sie schon lange mit blinden Menschen gearbeitet hat, aber tatsächlich hatte sie das noch nie. Auch für die anderen Mädchen in dem Kurs war es kein Problem. Wichtig für solche Kurse ist, dass es Kleingruppen sind. Ich würde nie in einen Yogakurs mit 30 Leuten gehen. Da wäre es mir unangenehm, den ganzen Kurs aufzuhalten.
Ich habe überwiegend sehende Freunde und zwei oder drei blinde Freunde. Ich bin sehr direkt und offen mit meiner Sehbehinderung. Wenn Leute ein Problem damit haben, möchte ich mit denen sowieso nichts zu tun haben. Ich suche mir gezielt Leute aus, die dem offen gegenüberstehen. Und meine Freunde sind auch sehr offen.
Leute, die mit meiner Sehbehinderung ein Problem haben, sagen das nicht direkt. Die ghosten einen einfach, wenn ich beiläufig erwähne, dass ich blind bin. Meine Blindheit ist für mich etwas ganz Normales. Der eine bricht sich das Bein, der andere sieht nichts. Das ist halt so. Wenn Leute mich ignorieren, dann akzeptiere ich das auch. Dafür muss man sehr selbstbewusst sein. Mein Selbstbewusstsein kam über die Zeit. Ich lasse mir da auch nichts gefallen.
Heutzutage gibt es vor allem auf dem Arbeitsmarkt noch Bedenken, blinde Menschen einzustellen. Wenn man in die Bewerbung reinschreibt, dass man blind ist, wird man abgelehnt. Wenn man es allerdings nicht vermerkt, wird man doch für ein Bewerbungsgespräch eingeladen. Sowas passiert halt, da Menschen nicht offen oder darüber aufgeklärt sind, dass der Staat nötige Hilfsmittel zahlt und die Kosten nicht vom Arbeitgeber getragen werden. Manchmal wird blinden Menschen aber auch nichts zugetraut und es wird angenommen, dass sie einen Mehraufwand bedeuten. Mir persönlich ist das noch nicht passiert, Freunden und Bekannten hingegen schon. Natürlich weiß man am Ende nicht, woran es lag. War die Bewerbung vielleicht nicht positiv genug geschrieben? Hat die Person zu wenig gemacht, um die nötigen Qualifikationen zu erreichen? Das ist auch kein Vorwurf. Nicht jeder hat die Zeit oder Kapazität für solche Qualifikationen. Manchmal haben Personen ja auch Mehrfachbehinderungen oder andere Verantwortungen. Dann ist es halt einfach so, dass manche Menschen mehr schaffen als andere und das hat in der Arbeitswelt leider Konsequenzen.
Ich bewerbe mich zurzeit um Klinikstellen, damit ich meine Psychotherapieausbildung fortsetzen kann. Die muss man leider nach dem Psychologiestudium noch absolvieren, damit man approbiert ist, also um als Psychotherapeut:in praktizieren zu dürfen. Ich möchte erstmal in den klinischen Bereich, aber auch der Wirtschaftsbereich interessiert mich. Zunächst möchte ich aber erstmal praktische Erfahrungen in der Klinik sammeln, also Erfahrungen machen, die über meine bisherigen Praktika hinausgehen. Momentan schreibe ich dafür Bewerbungen und hoffe auf die ersten Vorstellungsgespräche. Zunächst bewerbe ich mich erstmal hier in der Gegend. Wenn das nicht funktioniert, dann werde ich mich deutschlandweit bewerben. Ich bin da aber flexibel. Wenn ich umziehen muss, dann ist das auch in Ordnung. Ich möchte meine Ausbildung auch irgendwann abschließen.
In meinen Bewerbungen kommuniziere ich direkt, dass ich blind bin. Das steht auch so in meinem Anschreiben. Ich habe Freundinnen, die das nicht machen. Das kann jeder so machen, wie er will. Wenn man dann beim Bewerbungsgespräch mit dem Blindenstock auftaucht, denkt sich die andere Seite dann aber vielleicht, dass sie das schon gerne früher gewusst und sich darauf eingestellt hätte. Wenn man es vorher angibt, kann das sowohl positive als auch negative Folgen haben. Da muss man einfach schauen. In meinem Lebenslauf steht aber sowieso auch, dass ich die Blindenstudienanstalt besucht habe. Daraus könnte man sich auch herleiten, dass ich blind bin, wenn man den Lebenslauf überhaupt liest. Ich wollte allerdings kein Rätselraten verursachen und kommuniziere das daher offen und direkt. Mal schauen, was ich damit für Erfahrungen mache.
Baulich hat sich viel zugunsten der Barrierefreiheit verändert. Um mich zum Beispiel in großen Menschenmengen zu orientieren, benutze ich oft das taktile Leitsystem mit meinem Langstock. Das ist ganz praktisch.
Das Gehirn passt sich einer Sehbehinderung an. Statt Dinge zu sehen, nehme ich diese eher akustisch oder haptisch wahr. Ein bisschen Sehen kann ich ja auch noch, aber nicht so gut, dass ich mich darauf verlassen könnte. Ich orientiere mich tatsächlich immer noch viel durch das Sehen, aber auch sehr viel akustisch, wenn ich zum Beispiel die Straße überquere oder einen Eingang suche. Elektrische Autos wahrzunehmen ist etwas schwierig. Ich wäre fast schonmal von einem überfahren worden. An dem Tag hat es geregnet und ich musste zum Bus rennen. An der Straße bin ich stehen geblieben, habe allerdings nichts gehört. Auf einmal war mein Stock direkt am Auto. Der Wagen hat angehalten, der Fahrer oder die Fahrerin hat aber nichts gesagt. Die neueren E-Autos sollen allerdings eine Art Rascheln von sich geben, habe ich gehört. Aber ich habe das nicht weiterverfolgt.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass mich eine Psychiatrie einstellt, damit ich dort meine Praxisstunden absolvieren kann. Für die Kliniken wäre es eine Chance sich der Inklusion von blinden Menschen gegenüber zu öffnen. Allerdings ist Dresden ein Ballungsgebiet und es gibt zu viel Interesse an den dortigen Stellen. Die Klinik muss auch für die Ausbildung akkreditiert sein. Eine Ausbildungsstätte habe ich bereits, aber noch keinen Betrieb, der mich ausbildet. Die Ausbildungsstätte war sehr offen und hat mir viele Fragen dazu gestellt, welche Unterstützung ich benötige. Dem Leiter war es wichtig, dass ich selbstständig bin und meine Behinderung für mich kein großes Ding ist. Und auch dass ich es nicht persönlich nehme, wenn ein Patient sagt, dass er mit mir nicht zusammenarbeiten möchte, weil ich nichts sehe. Das kann passieren und darauf muss man sich einstellen. Meine Blindheit kann aber auch ein Vorteil sein, weil ich Menschen nicht nach ihrem Aussehen beurteilen kann, sondern nur nach dem, was sie sagen.
Ich wünsche mir, dass sich Arbeitgeber einfach mehr öffnen und dass die Floskel „schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber sind ausdrücklich erwünscht“ nicht nur eine Floskel bleibt, sondern dass es auch umgesetzt wird und die Menschen ihre Ängste verlieren. Ich kenne über verschiedene Ecken auch Leute, die in Unternehmen die Menschen über Inklusion aufklären und man sich dem auch öffnen kann. Unternehmen sollten aktiv auf diese Menschen zu gehen und Workshops in Anspruch nehmen. Das Erfüllen der Inklusionsquote und das Vermeiden der Strafzahlung sollte nicht die einzige Motivation sein, Inklusion zu leben. Auch von Leuten mit Behinderung aus meiner Szene wünsche ich mir, dass sie sich trauen, mehr auf Leute zuzugehen. Ich gehe zum Beispiel direkt auf Leute im Hörsaal zu und frage, wo Personen sind, da ich sie ja nicht selbst sehen kann, oder ich rufe in den Hörsaal nach Personen. Da sagt keiner etwas. Es sollten sich aber mehr Menschen mit Behinderung trauen, damit solche Dinge normaler werden. Ich würde mir von allen Seiten mehr Offenheit wünschen, nicht nur von den ‚Gesunden‘ sondern auch von den ‚Betroffenen‘, dass sie sich trauen dürfen. Wir leben auch hier. Wir haben auch Rechte und die muss man auch einfordern. Das muss man den Leuten auch sagen und auch Lösungen bieten, da viele Leute das einfach nicht wissen. Man muss Dinge auch selbst ausprobieren und sich in verschiedene Lösungen und Hilfsmittel einarbeiten. Da muss man sich auch selbst an die eigene Nase packen und nicht einfach sagen, dass es nicht geht. Es muss halt einfach gehen. Notfalls muss man Weiterbildungen besuchen. Davon gibt es sehr viele. Oder man fragt in der Blinden-Community. Oft gibt es da jemanden, der die Antwort weiß. Man kann nicht erwarten, dass einem alles hinterhergetragen wird. Man muss auch selbst schauen, was geht und was nicht.
Hallo!
Ich bin Sedef.
Ich habe die Krankheit Retinitis Pigmentosa.
Es ist eine Erb-Krankheit.
Durch die Krankheit bin ich fast blind.
Früher konnte ich normal sehen.
Aber meine Sicht hat sich über die Jahre hinweg verschlechtert.
Ich habe Abitur gemacht.
Dann bin ich nach Dresden gezogen.
Im Jahr 2014 habe ich mit meinem Psychologie-Studium angefangen.
Meine Augen sind immer schlechter geworden.
Deshalb habe ich für das Studium mehr Zeit gebraucht.
Ich habe mir selbst die Punkt-Schrift beigebracht.
Das ist eine Blinden-Schrift mit Punkt-Mustern.
Meine Professorinnen und Professoren waren sehr hilfsbereit.
Alle hatten schon mit sehbehinderten Studierenden zu tun.
Jetzt bin ich mit meinem Studium fertig.
Ich bewerbe mich für eine Stelle in einem Kranken-Haus.
Dort möchte ich meine Ausbildung zur Psycho-Therapeutin machen.
Psycho-Therapeutinnen behandeln Menschen mit seelischen Problemen.
In meinen Bewerbungen schreibe ich direkt, dass ich blind bin.
Für die Kranken-Häuser wäre es eine Chance, wenn sie mich nehmen würden.
Meine Blindheit hat auch Vorteile.
Ich beurteile Menschen nicht nach ihrem Aussehen.
Ich beurteile sie nur nach dem, was sie sagen.
In Stellen-Anzeigen steht oft:
schwer-behinderte Bewerberinnen und Bewerber sind ausdrücklich erwünscht
Aber ist das wirklich so?
Ich wünsche mir, dass sich Arbeit-Geber öffnen.
Dass sie ihre Angst verlieren.
Und dass sie blinde Menschen wie mich einstellen.
Auch von anderen Menschen mit Behinderung wünsche ich mir, dass sie mehr auf andere zugehen.
Ich wünsche mir von allen Seiten mehr Offenheit.
Das Gespräch war am 17. Mai 2022
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Sedef
Kurztext in Gebärdensprache (das Video besitzt keinen Ton und keinen Untertitel):