Johannes aus Leipzig

Johannes

Susanne Rößner

Johannes

Johannes aus Leipzig

    Johannes

    Stichworte

    Alle Portraits
    Chronische Erkrankungen
    Junge Menschen mit Erkrankungen
    Teilhabe

      Ich bin Johannes und studiere „Soziale Arbeit“ in Leipzig. Ich habe eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter.

      Durch die Diagnose kenne ich jetzt die Ursache für viele Probleme und muss mich nicht mehr verstellen. Ich bin offensiver geworden und sage in manchen Situationen, dass mein Verhalten am ADHS liegt. Es ist keine Ausrede, wenn ich mich entschuldige, weil ich zum x-ten Mal zu spät bin.

      Im Freundeskreis oder in der Familie gab es Menschen, die meinten: „Das ist jetzt aber nicht alles ADHS.“ Ein Stück weit kann ich das auch verstehen. Wenn man nach ADHS googelt, dann stehen dort natürlich die Symptome Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörung und Desorganisation. Aber alle drei Symptome haben viele verschiedene Auswirkungen. Manche lassen sich direkt auf das ADHS zurückführen. Manche entstehen aber erst, weil die ADHS nicht behandelt wurde, so dass sich Strategien und Verhaltensweisen daraus ergeben. Gerade das Zusammenspiel aller drei Symptome macht eben die Störung aus.

      Die Vorurteile und die Unwissenheit, die Außenstehende haben, machen es so schwer, ADHS zu verstehen. Ich finde, ADHS ist keine Krankheit, sondern eine Störung – für mich ist es nicht einmal das. Ich finde, bei Menschen mit ADHS funktioniert das Gehirn einfach etwas anders. Das Problem ist, dass unsere Gesellschaft sehr strukturiert aufgebaut ist und natürlich entstehen daraus für Menschen mit einer ADHS deutlich mehr Probleme. Um mehr über ADHS aufzuklären, verarbeite ich meine Erfahrungen, Gefühle und Ereignisse aus meinem Leben in meinen selbst geschriebenen Texten, die ich dann in Poetry Slams vortrage. Häufig geht es um mentale Gesundheit, aber auch um viele andere Themen.

      Ich selbst habe Inklusion lange Zeit nicht mit psychischen Erkrankungen in Verbindung gebracht, sondern vor allem mit Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung. Mittlerweile beziehe ich Inklusion auf alle Menschen. Es ist ja nicht als besonderer Vorteil für behinderte oder psychisch erkrankte Menschen gedacht, sondern damit alle Menschen beteiligt werden.

      Interview wurde geführt am: 25. Januar 2024

      Link zu einem Poetry Slam von Johannes mit dem Titel: Wie es ist, einen Tremor zu haben (externer Link zu YouTube)

      Hallo!

      Ich bin Johannes.

      Ich komme aus Leipzig.

      Ich studiere Soziale Arbeit.

      Ich habe ADHS.

      ADHS ist eine Abkürzung.

      Die Abkürzung steht für:

      Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung.

      Menschen mit ADHS nehmen Dinge anders wahr.

      Das heißt:

      Viele Informationen strömen auf sie ein.

      Informationen werden nicht gefiltert.

      Deshalb kann jemand mit ADHS sich manchmal schwer konzentrieren.

      Es hat mir geholfen zu erfahren:

      Ich habe ADHS.

      Ich kenne jetzt die Ursache für viele von meinen Problemen.

      Und ich muss mich nicht mehr verstellen.

      Ich kann sagen:

      Mein Verhalten liegt an ADHS.

      Zum Beispiel, wenn ich zu spät komme.

      Das ist eine Erklärung.

      Es ist keine Ausrede.

      Einige Freunde und Verwandte denken:

      Das liegt nicht alles an ADHS.

      Das verstehe ich auch ein bisschen.

      ADHS hat verschiedene Merkmale.

      Es gibt auch weitere Auswirkungen.

      Wenn ADHS nicht behandelt wurde.

      Dann hat man bestimmte Verhaltens-Weisen gelernt.

      Damit man besser zurechtkommt.

      Viele Menschen haben Vorurteile gegen ADHS.

      Viele wissen auch wenig über ADHS.

      Deshalb verstehen sie es nicht.

      Ich finde:

      ADHS ist keine Krankheit.

      Bei Menschen mit ADHS funktioniert das Gehirn einfach etwas anders.

      Unsere Gesellschaft ist so gestaltet,

      dass Menschen mit ADHS Schwierigkeiten haben.

      Ich möchte, dass alle mehr über ADHS erfahren.

      Deshalb schreibe ich darüber Texte:

      • Über meine Erfahrungen,
      • über meine Gefühle
      • und über Ereignisse aus meinem Leben.

      Meine Texte gehen auch um seelische Gesundheit.

      Ich trage die Texte in Poetry Slams vor.

      Poetry Slams sind Veranstaltungen.

      Auf diesen Veranstaltungen werden Texte und Gedichte vorgetragen.

      Ich habe lange gedacht:

      Inklusion ist nur für Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung.

      Inklusion hat nichts mit seelischen Erkrankungen zu tun.

      Jetzt denke ich:

      Es geht um alle Menschen.

      Niemand soll ein Vorteil dadurch haben.

      Sondern alle Menschen sollen überall teilhaben können.

      Das Gespräch war im 25. Januar 2024.

      Johannes

      Kurztext in Gebärdensprache (das Video besitzt keinen Ton und keinen Untertitel):

      Johannes

      Bildbeschreibung und Einsprache des Kurztextes:

      play_circle_filled
      pause_circle_filled
      Portrait - Johannes
      volume_down
      volume_up
      volume_off
      Johannes aus Leipzig