Ich bin Johannes und studiere „Soziale Arbeit“ in Leipzig. Ich habe eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter.
Durch die Diagnose kenne ich jetzt die Ursache für viele Probleme und muss mich nicht mehr verstellen. Ich bin offensiver geworden und sage in manchen Situationen, dass mein Verhalten am ADHS liegt. Es ist keine Ausrede, wenn ich mich entschuldige, weil ich zum x-ten Mal zu spät bin.
Im Freundeskreis oder in der Familie gab es Menschen, die meinten: „Das ist jetzt aber nicht alles ADHS.“ Ein Stück weit kann ich das auch verstehen. Wenn man nach ADHS googelt, dann stehen dort natürlich die Symptome Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörung und Desorganisation. Aber alle drei Symptome haben viele verschiedene Auswirkungen. Manche lassen sich direkt auf das ADHS zurückführen. Manche entstehen aber erst, weil die ADHS nicht behandelt wurde, so dass sich Strategien und Verhaltensweisen daraus ergeben. Gerade das Zusammenspiel aller drei Symptome macht eben die Störung aus.
Die Vorurteile und die Unwissenheit, die Außenstehende haben, machen es so schwer, ADHS zu verstehen. Ich finde, ADHS ist keine Krankheit, sondern eine Störung – für mich ist es nicht einmal das. Ich finde, bei Menschen mit ADHS funktioniert das Gehirn einfach etwas anders. Das Problem ist, dass unsere Gesellschaft sehr strukturiert aufgebaut ist und natürlich entstehen daraus für Menschen mit einer ADHS deutlich mehr Probleme. Um mehr über ADHS aufzuklären, verarbeite ich meine Erfahrungen, Gefühle und Ereignisse aus meinem Leben in meinen selbst geschriebenen Texten, die ich dann in Poetry Slams vortrage. Häufig geht es um mentale Gesundheit, aber auch um viele andere Themen.
Ich selbst habe Inklusion lange Zeit nicht mit psychischen Erkrankungen in Verbindung gebracht, sondern vor allem mit Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung. Mittlerweile beziehe ich Inklusion auf alle Menschen. Es ist ja nicht als besonderer Vorteil für behinderte oder psychisch erkrankte Menschen gedacht, sondern damit alle Menschen beteiligt werden.
Interview wurde geführt am: 25. Januar 2024
Ich bin Johannes und studiere aktuell „Soziale Arbeit“ hier in Leipzig an der Hochschule für Wirtschaft, Technik und Kultur. Ich habe eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenen-Alter. Es wurde letztes Jahr bei mir erneut diagnostiziert. Erneut deshalb, weil ich diese Diagnostik schon das vierte Mal durchlaufen habe. Schon als Kind wurde bei mir eine ADHS diagnostiziert. Da war ich sechs Jahre alt. Ich wurde daraufhin eine Zeit lang medikamentös mit Ritalin behandelt. Es war damals und ist auch heute noch oft das ADHS-Medikament der ersten Wahl.
Ritalin ist eine Stimulanz, die oft auch appetitmindernd wirkt. Das wurde bei mir zum Problem, da ich nicht mehr genug gegessen und deshalb abgenommen hatte. Meine Eltern machten sich Sorgen, dass ich zu dünn werde. Deshalb haben sie die Einnahme von Ritalin abgebrochen. Die Ärzte haben damals gesagt: „Etwas anderes kann man nicht machen. Entweder verwächst es sich, oder er lernt, damit umzugehen.“
Als ich 13 Jahre alt, war hat meine Mutter noch einmal eine Diagnostik machen lassen. Die aber auch nichts Neues brachte, beziehungsweise wurde nichts unternommen. Ich selbst habe mich in dem Alter nicht weiter damit beschäftigt. Es hat mir aber auch keiner wirklich erklärt. Und ich glaube, das war auch das große Problem. Niemand kam auf die Idee mir zu erklären, was ADHS ist und was es eigentlich bedeutet. Es fand keine Form von Behandlung statt. Es ist ja nicht erst seit gestern so, dass man bei ADHS auch Verhaltenstherapie und Ergotherapie machen kann. Die Sachen gab es ja auch damals schon.
Als Kind war ich damals oft sehr aufgedreht, aber auch übermäßig verträumt. Daran kann ich mich teilweise selbst erinnern, aber einige Dinge hat mir auch meine Mutter so erzählt. Ich hatte auch ganz große Probleme einzuschlafen und war immer sehr lange wach. Außerdem konnte ich mich wirklich selten lange auf eine Sache konzentrieren. Lesen war eine von den wenigen Sachen, mit denen ich mich wirklich ausdauernd beschäftigt habe. Darin konnte ich stundenlang versinken. Das hat mich schon immer interessiert.
Bis heute ist es noch so, dass ich mich superschnell langweile, wenn mich etwas gar nicht interessiert. Ich verliere auch bis heute häufig Dinge und habe mich früher oft selbst abgelenkt. In meinen Zeugnissen stehen viele Sachen drin, bei denen deutlich wird, dass ADHS schon damals ein Thema war. Meine Lehrerin schrieb zum Beispiel, dass ich zwar meist pünktlich bin, aber durch mein Verhalten verhindere, dass der Unterricht pünktlich starten kann. Oder dass ich nicht richtig bei der Sache bin und dass durch meinen mangelnden Arbeitseifer, meine Mitschüler am Lernerfolg behindert werden und ich deshalb auch in Gruppen-Arbeiten kein gern gesehener Gruppen-Partner bin.
Rückblickend ist das schon hart und ich finde, dass man mit solchen Aussagen die Verantwortung an das Kind abgibt. Nach dem Motto: „Ich war zu faul und hatte auf nichts Bock und deswegen wollten die Kinder nicht mit mir zusammenarbeiten.“ Damals habe ich das nicht so interpretieren können, wie ich das jetzt kann.
Wie die Lehrer damals über mich gedacht haben, hatte auch Auswirkungen darauf, wie ich behandelt wurde. Während meiner Schulzeit wurde ich gemobbt. Ich hatte aber auch Kontakt zu Menschen, die selbst Schwierigkeiten hatten und beispielsweise Alkohol und Drogen konsumierten.
Durch das Mobbing, die Schwierigkeiten beim Lernen und die Suchtmittel war mir dann alles zu viel und ich habe angefangen, mich selbst zu verletzen. Am Ende bin ich nach der 10. Klasse mit einem qualifizierten Hauptschul-Abschluss aus der Schule raus.
Von der Schule und den meisten Lehrern habe ich mich nicht aufgefangen gefühlt. Es gab zwar Lehrkräfte, die sich bemüht haben. Zu denen hatte ich auch immer einen guten Draht. Aber ich weiß bis heute nicht, ob die wussten, dass ich ADHS habe.
Schon während der Schulzeit habe ich zusammen mit der Berufsberatung überlegt, welchen Ausbildungsberuf ich lernen möchte. Ursprünglich wollte ich gerne eine Ausbildung zum Buchhändler machen, aber dafür waren meine Noten nicht gut genug. Also wollte ich stattdessen eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel machen. Eine Mitschülerin brachte mich schließlich auf die Idee, eine Ausbildung zum Kinderpfleger zu machen, weil ich über diese Ausbildung den Realschulabschluss bekommen und danach vielleicht den Heilerziehungspfleger dranhängen könnte. Am Ende habe ich mich dann für die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher entschieden.
Kurz bevor die Ausbildung zum Kinderpfleger losging, habe ich mir dann einen Termin bei einem Psychiater in der Kinder-Jugend-Psychiatrie in Nordhausen geholt. Zu dieser Zeit war ich 16 Jahre alt und mir ging es nicht gut. Ich verletzte mich selbst und hatte das Gefühl, dass ich vielleicht eine Depression habe. Außerdem wollte ich mich nicht weiter selbst verletzen. Der Psychiater in der Ambulanz riet mir damals zu einer stationären Therapie, also habe ich kurz darauf die Ausbildung für einen Aufenthalt unterbrochen. Während dieser Zeit habe ich auch die ADHS noch einmal angesprochen, aber als ich auf Station war, wurde die Diagnose ADHS nicht bestätigt. Stattdessen wurde mir von den Verantwortlichen gesagt: „Wer so viel liest, der kann kein ADHS haben.“ Zu der Zeit nahm ich das einfach hin, weil ich dachte, dass sich die ADHS ja eh verwächst. Damals war es auch eine gängige Annahme, dass ADHS nur im Kindes- und Jugendalter besteht. Entlassen wurde ich dann mit einer Anpassungsstörung. Eine Anpassungsstörung bedeutet im Prinzip, dass man aufgrund der Lebensumstände Schwierigkeiten hat, sich an eine neue Situation zu gewöhnen und dadurch psychische Symptomatiken entstehen. Diese Diagnose wird glaube ich schon relativ häufig vergeben. Ich finde aber sie ist relativ unspezifisch.
Rückblickend muss ich sagen, dass die Klinik mir nur bedingt bei den Selbstverletzungen geholfen hat. Es wurde damals einfach verboten, sich selbst zu verletzen. Es wurde gesagt: „Wenn wir mitkriegen, dass ihr euch selbst verletzt, dann folgt eine Konsequenz darauf. Und wenn es vermehrt vorkommt, dann kann es auch passieren, dass wir euch entlassen.“ Ich denke, dieser Ansatz ist veraltet. Denn man ist doch dort in Behandlung, weil man Hilfe braucht. Wieso wird man dann bestraft, wenn einem das wieder passiert?
Schließlich wurde ich auf meinen Wunsch hin entlassen. Die Therapeuten rieten mir zwar noch länger zu bleiben und das Lehrjahr einfach zu wiederholen, aber das wollte ich nicht.
Ich bin also zurück in den Alltag. Die Ausbildung hat mir Spaß gemacht und ich habe gute Noten bekommen. Zu der Zeit habe ich meinen jetzigen Ex-Partner kennengelernt, mit dem ich dann auch ganz lange zusammen war. Das hat dazu geführt, dass sich meine Situation quasi von alleine stabilisiert hat. Da war die ADHS auch erstmal gar kein so großes Thema für mich, weil ich ja zumindest in der Ausbildung gut zurechtkam.
Aber ich hatte trotzdem auch weiterhin Schwierigkeiten mich im Alltag zu strukturieren und konzentriert zu bleiben. Das hat auch in der Partnerschaft immer wieder zu Problemen geführt. Ich habe beispielsweise wichtige Vereinbarungen vergessen, oder habe bestimmte Dinge nicht eingekauft, obwohl es abgesprochen war. Daraus entstehen natürlich auch Konflikte, wenn solche Dinge immer wieder vorkommen. Vor allem, wenn man auch nicht weiß, dass das alles mit dem ADHS zu tun hat. Zu der Zeit nahm ich es einfach hin, dass mir gesagt wurde, ich hätte kein ADHS.
Mit 19 Jahren, da war ich schon in der Erzieher-Ausbildung, habe ich dann in einer Zeitung einen Artikel von einer erwachsenen Frau gelesen, die über ihr ADHS geschrieben hat. Daraufhin habe ich gedacht: Das was sie schreibt, das trifft auch auf mich zu. Deshalb habe ich mir noch einmal eine Therapeutin gesucht. Weil ich noch nicht 21 war, war es trotzdem eine Kinder- und Jugend-Psychologin. Sie hat mit mir noch einmal die Diagnostik durchgeführt und ADHS festgestellt. Zusätzlich hat sie noch eine mittelschwere depressive Episode diagnostiziert. Danach war ich jahrelang bei einer Psychiaterin in Behandlung. Sie hat mir zuerst Medikinet verschrieben. Dieses Medikament war damals 2013 ganz frisch für die Behandlung von ADHS im Erwachsenalter zugelassen. Medikinet enthält wie Ritalin den Wirkstoff Methylphenidat, es heißt nur anders, weil es ein anderer Hersteller ist. Ich habe das Medikament damals auch gut vertragen, bekam aber zu Beginn Durchfall, was am Anfang eine häufige Nebenwirkung ist, die sich aber eigentlich auch wieder legt. Aber damals war das Medikament ganz neu und meine Ärztin kannte sich damit noch nicht ganz so gut aus. Da der Durchfall nach zwei Wochen nicht weg ging, hat sie das Medikinet wieder abgesetzt. Die Notlösung war dann das Antidepressivum Venlafaxin. In ganz hoher Dosierung hat es wohl einen Effekt auf ADHS. Eine andere Behandlung habe ich nicht bekommen.
Zu der Zeit habe ich auch angefangen vermehrt Cannabis zu konsumieren. Das hatte sich durch mein Umfeld so ergeben. Rückblickend weiß ich jetzt, dass das THC auch eine Wirkung auf das ADHS hat. Letztendlich war es eine Selbstmedikation. Ich habe zwar im Alltag nicht konsumiert, aber später im Studium habe ich abends konsumiert, obwohl ich noch lernen oder Texte lesen musste. Und das ging sehr gut. Ich habe Hausarbeiten geschrieben, obwohl ich bekifft war, und gute Noten darauf bekommen. Für meinen Ex-Partner war das damals total paradox. Er war berauscht und ich zwar auch, aber wenn dieser erste Flash nachgelassen hatte, konnte ich damit gut lernen. Und fünf Stunden später hatte ich auch das Gefühl, dass ich konzentrierter war. Das Venlafaxin habe ich die ganze Zeit parallel genommen. Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, wenn ich ehrlich bin.
Nachdem ich die Ausbildung abgeschlossen hatte, habe ich angefangen in einem Kindergarten zu arbeiten. Ich hatte eine sehr strenge Chefin. Sie war sehr auf Ordnung und Struktur fixiert. Es gab nur wenige Kolleg:innen, die das lange ausgehalten haben und langfristig geblieben sind. Durch mein ADHS sind dann Probleme aufgetaucht, weil ich nicht ordentlich genug war, nicht umsichtig genug, nicht schnell genug. Es war schwer für mich mit den Dokumentation-Aufgaben hinterherzukommen. Sich selbst zu organisieren ist das eine. Ich bin aber bei Dingen, die mich nicht so interessieren, einfach auch langsamer und brauche mehr Zeit. Und es darf kein Ablenkungsfaktor dazwischenkommen. Ich brauche dafür wirklich Ruhe. Das hat dazu geführt, dass ich ständig Thema war. Ich habe das schon ein bisschen als drangsalieren empfunden. Es war wirklich stressig. Ich habe nach einem Jahr versucht, einen Versetzungsantrag zu stellen, der aber nicht genehmigt wurde. Ich bin dortgeblieben, weil ich mich nicht getraut habe, mich woanders zu bewerben.
Während dieser Zeit wurde mein THC-Konsum immer regelmäßiger, weil der Druck zu groß wurde. Ich kann solche Situationen schlecht aushalten und wäre ohne den Konsum nie so lange in der KiTa geblieben.
Nach zwei Jahren ließ ich mich dann schließlich krankschreiben, weil ich nicht mehr konnte und immer unglücklicher wurde. Schließlich konnte ich dann nach einem neuen Versetzungsantrag doch noch die KiTa wechseln. Dort war es viel entspannter. Die Chefin war menschlich ganz anders, sie war sehr freundlich und eine fürsorgliche Person. Ich mochte sie sehr. Sie hat mir das Gefühl gegeben, dass sie die Kompetenzen sieht, die ich mitbringe. Das hat dazu geführt, dass ich aufgeblüht bin und wieder selbstbewusster wurde.
Eigentlich wollte ich mich schon nach der Ausbildung durch ein Studium weiter qualifizieren, aber gleichzeitig wollte ich auch endlich Geld verdienen, weshalb ich damals auch erstmal in der KiTa gearbeitet habe. Dieser Wunsch rückte in der neuen KiTa wieder in den Fokus. Deshalb habe ich in an der Hochschule Nordhausen für den Bachelor in Gesundheits- und Sozialwesen beworben. Am Ende wäre ich staatlich anerkannter Sozialarbeiter geworden. Um das Studium finanzieren zu können, habe ich meine Arbeitszeit auf 18 Stunden reduziert, weil ich nicht noch einmal auf BAFÖG angewiesen sein wollte.
Das Studium hat an sich auch gut funktioniert. Aber eine Teilzeitstelle und ein Vollzeitstudium sind eine hohe Belastung und erfordern sehr viel Struktur. Das ist mit ADHS nicht einfach und an irgendeiner Stelle fällt immer etwas hinten runter. Dadurch und durch die ADHS gab es immer wieder Konflikte in meiner Beziehung, weshalb ich mich schließlich von meinem Partner getrennt hatte. Bis dahin hatte ich noch nicht wirklich darüber nachgedacht, dass ich ein Konsum-Problem haben könnte. Ich habe noch weiterhin regelmäßig konsumiert. Zu diesem Zeitpunkt war die Einsicht noch nicht da. Es war zwar ein Bewusstsein da, dass eine Art Sucht bestehen könnte, aber ich habe immer wieder Ausreden für mich gefunden. Es ist auch ein Prozess zu erkennen, dass da ein Konsum-Problem besteht. Das geht auch anderen Suchtkranken so.
Nach der Trennung, die ja auch etwas mit mir gemacht hat, bin ich in eine eigene Wohnung gezogen. Dort habe ich realisiert, dass mein Konsum doch problematischer ist, als ich gedacht habe. Ich habe schließlich meiner Psychiaterin davon erzählt und sie hat mich zu einer Entgiftung angemeldet.
Ich bin zur Entgiftung nach Mühlhausen gegangen und habe dort einen Antrag auf eine Langzeittherapie gestellt, der auch genehmigt wurde. Dafür bin ich dann in eine Klinik in Kelbra gegangen. In der Klinik habe ich mich aber gar nicht wohlgefühlt. Ich war mit der ganzen Situation völlig überfordert. Rückblickend habe ich mich nicht gut aufgefangen gefühlt und deshalb nach fünf Tagen die Therapie abgebrochen. Dabei hatte ich gar nicht das Ziel, direkt weiter zu konsumieren. Eigentlich wollte ich in eine Tagesklinik gehen, aber das war leider nicht direkt möglich.
Dann kam Corona. Eigentlich sollte ich im März 2020 in der Tagesklinik aufgenommen werden, aber an dem Tag, als ich aufgenommen werden sollte, wurde ich quasi vor der Tür abgewiesen. Wegen Corona wurde die Aufnahme neuer Patienten gestoppt. Für mich war das eine Katastrophe, denn es ging mir gar nicht gut. Ich hatte Suizid-Gedanken, weil ich enorm damit zu kämpfen hatte, nicht zu konsumieren. Ich wollte nicht konsumieren, deshalb habe ich mich selbstverletzt. Das ist natürlich nicht die bessere Option. Aber ich hatte in dieser Zeit einfach keine andere Lösungsstrategie.
Mir ging es psychisch immer schlechter, und dann bin ich rückfällig geworden. Gleichzeitig habe ich mich aber auch direkt wieder an meine Ärztin und an die Suchtberatung gewandt, das war das Gute. Das Studium war da auch erstmal kein Thema mehr. Ich habe nur noch darauf gewartet, dass die Entgiftung wieder losgeht, weil ich es nicht geschafft habe, allein aufzuhören.
Als ich das zweite Mal in die Entgiftung gekommen bin, hatte ich schon im Vorfeld für mich entschieden, dass ich für die Langzeittherapie in eine Klinik muss, die weiter weg ist. Ich wollte nicht noch einmal in eine Klinik, die keine 20 Kilometer von Zuhause entfernt ist, wo ich schnell jemanden finde, der mich abholt, wenn ich gehen will. Deshalb bin ich nach Leipzig in eine Klinik gegangen. Die Therapie hat mir sehr gut geholfen und ich war unglaublich dankbar für die Hilfe seitens der Therapeut:innen. Als ich in die Klinik aufgenommen wurde ging es mir so schlecht, dass ich nur noch dachte: Entweder das funktioniert jetzt, oder ich sterbe irgendwann. Durch den Konsum von Cannabis wäre ich wahrscheinlich nicht gestorben, aber durch die psychischen Folgen hätte ich mir glaube ich früher oder später das Leben genommen. Das war mir schon bewusst.
Nach der Therapie habe ich dann eine Adaptionsbehandlung in Leipzig angeschlossen, weil ich schon während der Therapie gemeinsam mit meinen Therapeut:innen entschieden hatte, dass ich nicht wieder nach Nordhausen zurück möchte. Eine Adaption ist ebenfalls eine stationäre Einrichtungsform. Während der Zeit dort hat man die Möglichkeit ein Praktikum zu machen und sich um eine neue Wohnung zu kümmern. Außerdem hat man wieder ein eigenes Zimmer und versorgt sich selbstständig. Während dieser Zeit hat man dann weniger Therapien als in der Langzeittherapie, aber hat eben noch ein Sicherheitsnetz für den Übergang in eine weitere Betreuung oder die eigene Wohnung. Ich habe mich damals entschieden, in eine drogenfreie Wohngemeinschaft zu ziehen. Das ist ein ambulant betreutes Wohnen. Man lebt mit anderen suchtkranken Menschen in einer WG und hat eine:n zuständige:n Sozialarbeiter:in. Die Sozialarbeiterin bespricht mit einem dann den Alltag und unterstützt bei der Entwicklung von Bewältigungsstrategien, aber auch in Dingen wie der Beantragung von Sozialleistungen. Ansonsten ist es aber wie eine normale WG. Einige Monate nach meinem Umzug habe ich schließlich angefangen bei Poetry Slams aufzutreten. Dort trage ich selbst geschriebene Texte vor. In meinen Texten geht es um verschiedenste Themen. Oft verarbeite ich eigene Erfahrungen, Gefühle und Ereignisse aus meinem Leben, die mich nachhaltig beschäftigen. Häufig geht es um mentale Gesundheit, aber auch viele andere Themen.
Im Oktober 2021 habe ich dann wieder angefangen in einer KiTa zu arbeiten, weil ich es mir nicht zutraute mein Studium wieder aufzunehmen und finanzielle Stabilität brauchte. Die KiTa wurde damals neu eröffnet und die Arbeit gefiel mir Anfangs sehr gut. Als dann aber nach und nach immer mehr Kinder aufgenommen wurden, kamen es durch die ADHS auch wieder zu Problemen mit meiner Selbstorganisation und meiner Arbeitsstruktur. Zu der Zeit habe ich dann auch privat einige schwierige Situationen gehabt, was dazu geführt hat, dass ich mich auf Arbeit immer schlechter organisieren und einbringen konnte. Zu der Zeit kam durch einen guten Freund dann wieder das Thema ADHS auf, weil dieser die Verdachtsdiagnose erhalten habe. Damals habe ich dann einen ziemlich ausführlichen Selbsttest gemacht. Das habe ich aber eigentlich eher aus Neugierde gemacht und nicht weil ich dachte, dass ich doch ADHS haben könnte. Schließlich wurde die Diagnose ja in der Suchtklinik nicht gestellt. Das Ergebnis war dann aber wieder mit einem starken Verdacht auf ADHS eindeutig. Also dachte ich, dass ich noch einmal die Diagnostik machen lassen möchte, um endlich endgültig zu klären, ob ich nun eine ADHS habe oder nicht. Zu dieser Zeit hatte ich auch erneut eine depressive Episode, weshalb ich wieder krankgeschrieben war. Mit viel Glück bekam ich schließlich einen Termin für die ADHS-Diagnostik im Dezember 2022 und kam gleichzeitig auf eine Warteliste für eine tagesklinische Behandlung. Als mir die Psychologin sagte, dass sich die ADHS-Diagnose bestätigt hat, war dann auch klar, dass ich während meiner Zeit in der Tagesklinik auch medikamentös eingestellt würde. Mir wurde aber nicht noch einmal das Medikament Medikinet (Methylphenidat) sondern das Präparat Elvanse (Lisdexamfetamin) gegeben. Elvanse hat eine geringere Missbrauchswahrscheinlichkeit und wirkt länger. Es ist zwar auch ein Stimulanz-Präparat, aber es ist quasi so verändert, dass sich der wirksame Bestandteil erst im Magen-Darm-Bereich freisetzt. Somit bringt es nichts, dass Medikament auf eine andere Art einzunehmen, da das Medikament nur im Magen-Darm-Bereich zu seinem wirksamen Bestandteil aufspaltet. Ein anderer großer Vorteil von Elvanse ist, dass man nur eine Tablette am Tag nehmen muss. Bei Medikinet oder Ritalin muss man meisten morgens und mittags eine Tablette nehmen, weil sonst die Wirkung nicht über den ganzen Tag anhält.
Auf Grund meiner Suchtgeschichte habe ich lange überlegt, ob ich das Medikament nehmen möchte und ob das gut ist. Ich hatte Angst, dass es meine Suchtgedanken befeuert. Bei ADHS-Medikamenten ist es so, dass es für Menschen ohne ADHS stimulierend wirkt, und sie vielleicht auch einen Rausch erleben würden, nur bei Menschen mit ADHS wirken die Medikamente wie sie sollen.
Schon nach den ersten zwei, drei Tagen, nachdem ich begonnen hatte, Elvanse zu nehmen, habe ich den Unterschied deutlich gemerkt. Aber nachdem ich mich ein paar Tage daran gewöhnt hatte, ist das passiert, was bei diesen Medikamenten für Menschen mit ADHS typisch ist und ich kann nach der Einnahme des Medikaments nicht genau sagen, wann die Wirkung beginnt und wann sie aufhört. Aktuell nehme ich Elvanse immer noch. Es geht mir viel besser damit. Aber es ist auch ganz schnell das eingetreten, was eben mit diesen Medikamenten passiert. Ich merke für mich keinen Unterschied in meiner Wahrnehmung, aber ich merke, dass mir im Alltag Dinge besser gelingen. Generell merke ich die Wirkung an ganz vielen kleinen Sachen. Aber es ist nicht so, dass ich sage: Heute fühle ich mich damit ganz anders als sonst. Manchmal vergesse ich auch im Alltag das Medikament zu nehmen, dann merke ich aber auch nicht gleich einen Unterschied.
Während meiner Zeit in der Tagesklinik war mir dann ziemlich schnell klar, dass ich nicht noch einmal in einer Kita arbeiten werde. Das liegt daran, dass ich so viele negative Erfahrungen gesammelt habe und die Betreuungsschlüssel und die großen Gruppen für mich nicht gut funktionieren. Deshalb habe ich mich entschieden mein Studium in „Soziale Arbeit“ wieder aufzunehmen. Neben meiner Bewerbung habe ich die Zeit genutzt um mich um meine weitere Behandlung zu kümmern. Ich habe mich auf die Warteliste der Psychoedukationsgruppe für ADHS im Erwachsenenalter schreiben lassen. Psychoedukation bedeutet, dass der Patient über die eigene Erkrankung aufgeklärt wird. Es werden außerdem gemeinsam verschiedene Probleme im Alltag besprochen und zusammen mit anderen Betroffenen nach Lösungen gesucht. Außerdem war ich in der Ergotherapie beim Neurofeedback. Neurofeedback ist eine Behandlungsmethode für ADHS, bei der man eine EEG-Haube aufgesetzt bekommt. Die Haube misst die Hirnströme für Konzentration, während man ein Spiel spielt, oder einen Film schaut, oder Musik hört. Wenn die Hirnströme im „richtigen“ Bereich liegen, läuft der Film ganz normal, aber wenn man unkonzentriert wird, verdunkelt sich das Bild immer mehr und der Ton wird leiser. Nur wenn man sich dann wieder konzentriert, geht der Film weiter. Man bekommt quasi ein optisches und akustisches Feedback. Zudem habe ich damit begonnen eine Selbsthilfegruppe zu besuchen und habe mir eine Verhaltenstherapeutin gesucht.
Mittlerweile fühle ich mich auf jeden Fall viel wohler. Weil ich jetzt die Ursache für viele Probleme kenne. Ich muss mich jetzt nicht mehr verstellen. Ich bin etwas offensiver geworden und sage in manchen Situationen, dass ich ein Problem habe. Gerade im privaten Kontext kommuniziere ich auch, dass mein Verhalten am ADHS liegt. Es ist keine Ausrede, wenn ich mich entschuldige, weil ich zum x-ten Mal zu spät bin. Klar bemühe ich mich, dass ich nicht zu spät komme, aber es kann passieren. Gerade wenn ich neue Leute kennenlerne, neue Freundschaften schließe, dann erzähle ich relativ schnell, dass ich ADHS habe. Das Feedback von Leuten, denen ich von meiner ADHS erzähle ist unterschiedlich. Viele haben Verständnis und sind auch interessiert. Gerade auch, wenn ich neue Leute kennenlerne.
Im Freundeskreis oder der Familie, gab es auch Menschen, die dann meinten: „Das ist jetzt aber nicht alles ADHS.“ Oder auch solche Reaktionen wie: „Wenn das ADHS ist, habe ich das aber auch.“ Ein Stück weit kann ich das auch verstehen. Wenn man nach ADHS googelt oder bei Wikipedia nachliest, dann stehen dort natürlich immer die Symptome Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörung und Desorganisation. Man liest diese drei großen Symptome, die aber ganz viele verschiedene Auswirkungen auf das ganze Leben haben. Manche lassen sich direkt auf das ADHS zurückführen. Manche entstehen aber auch daraus, dass die ADHS nicht behandelt wurde, so dass sich Strategien und Verhaltensweisen daraus ergeben haben. Das Zuspätkommen ist für mich so ein Produkt aus allen drei Symptomen, wenn ich so darüber nachdenke. Das ist zum einen die Impulsivität, dass ich denke: „Es ist ja noch voll viel Zeit, ich kann ja noch mal schnell bei Instagram reinschauen“ und darüber die Zeit vergesse. Es kann aber auch die Desorganisation sein, dass ich loswill und plötzlich denke: „Habe ich meine Kopfhörerbox eingepackt?“ und dann noch 10 Minuten nach ihnen suche und total gestresst bin. Es kann aber einfach auch Unaufmerksamkeit sein, dass ich im Bus sitze und nicht darauf achte, wo ich gerade bin und plötzlich feststelle: „Oh ich bin schon zwei Stationen zu weit gefahren.“
Ich glaube viele einzelne Sachen, die ich mit ADHS erlebe, kennt jeder und es passiert jedem mal ab und zu. Aber gerade alle drei Symptome im Zusammenspiel machen eben die Störung aus.
Die Vorurteile und die Unwissenheit über ADHS machen es für Außenstehende so schwer, ADHS zu verstehen. Ich finde ADHS ist keine Krankheit beziehungsweise eine Störung – für mich ist es nicht einmal das. Ich finde bei Menschen mit ADHS funktioniert das Gehirn einfach etwas anders. Das hat mit der Hirnchemie zu tun und das bestimmte Botenstoffe nicht richtig übertragen und verarbeitet werden. Das Problem ist einfach, dass unsere Gesellschaft sehr strukturiert aufgebaut ist und natürlich entstehen daraus für Menschen mit einer ADHS deutlich mehr Probleme.
In den Medien wird manchmal so getan, als ob ADHS mittlerweile überdiagnostiziert wird. Aber es ist tatsächlich immer noch so, dass ADHS unterdiagnostiziert ist, bei Mädchen und Frauen noch mal mehr als bei Männern. Es gibt also ganz viele Menschen mit ADHS, ohne dass sie es wissen.
Ein halbes Jahr vor meiner ADHS-Diagnose habe ich dann auch mit dem Rauchen aufgehört. Ich finde es heute noch erstaunlich, dass ich das durchgehalten haben. Vor allem in der Zeit, wo es mir wirklich nicht gut ging. Da habe ich zum Beispiel auch gemerkt, dass das Nikotin eine Wirkung auf das ADHS hat. Jetzt habe ich schon ganz lange kein Bedürfnis mehr verspürt, Cannabis oder andere Drogen zu konsumieren. Ich trinke auch keinen Alkohol – das darf ich auch alles nicht. Menschen, die eine Suchterkrankung haben, wird generell empfohlen, auf Suchmittel zu verzichten, weil die Gefahr groß ist, dass man von einer Substanz auf die andere umschwenkt. Das nennt sich Suchtverlagerung.
Mittlerweile habe ich nur noch sehr selten das Verlangen Drogen zu konsumieren und habe viele Strategien um mit Risikosituationen umzugehen. Sehr hilfreich war da für mich der Besuch von Selbsthilfegruppen. Diese besuche ich bis heute, auch wenn ich mittlerweile in meiner Abstinenz sehr stabil bin. Ich habe Leute gesehen, die waren weit über 10 Jahre abstinent und sind noch einmal rückfällig geworden. Da sollte man nicht leichtsinnig werden. Das Gehirn vergisst das nicht und bei einem Rückfall wird das Suchtgedächtnis schnell wieder „aktiviert“.
Ich finde Inklusion super wichtig. Ich selbst habe Inklusion lange Zeit nicht mit psychischen Erkrankungen in Verbindung gebracht, sondern habe vor allem an Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung gedacht. Ich selbst habe auch einen Behindertengrad von 40. Mittlerweile beziehe ich Inklusion auf alle Menschen. Es ist ja nicht als besonderer Vorteil für Menschen mit Behinderung oder für psychisch erkrankte Menschen gedacht, sondern damit alle Menschen beteiligt werden. Ich fände es wichtig, wenn es viel selbstverständlicher wird für alle Menschen mitzudenken.
Ich habe so grundsätzlich das Gefühl, dass es am Verständnis für andere fehlt. Weil die Berührungspunkte nicht da sind. Es braucht generell mehr fundierte und sachliche Aufklärung. Ich denke, dass teilweise Menschen mit psychischen Erkrankungen oft vergessen werden. Nicht unbedingt absichtlich, sondern weil man Inklusion nicht direkt damit assoziiert. Und es gibt natürlich Menschen, die das einfach nicht ernst nehmen. Die dann sagen, man soll sich zusammenreißen und nicht so anstellen. Ich finde, es sollte den betroffenen Menschen mehr zugehört werden. Denn wir sind ja eigentlich die Experten für unsere eigene Erkrankung. Und wir können am besten sagen, wie wir uns in bestimmten Situationen fühlen.
Ich bin hier in Leipzig definitiv zufrieden mit den Behandlungsmöglichkeiten, die ich nutzen kann. Ich bin auch okay damit wie es jetzt ist. Ich trauere der Vergangenheit nicht hinterher. Eine Zeit lang habe ich schon gedacht, dass ich mir einiges hätte ersparen können, wenn ich die richtige Behandlung eher bekommen hätte. Aber ich kann es nicht mehr ändern. Ich weiß aber auch, dass es in den Kleinstädten und im ländlichen Raum an ganz vielen Stellen Probleme gibt. Hier in der Großstadt hat man die Möglichkeiten. Aber im ländlichen Raum haben viele Ärzte nicht so viel Ahnung von ADHS im Erwachsenenalter. Dort ist es ein riesiges Problem, eine gute Behandlung zu bekommen. Der Übergang von der Forschung in die Praxis, vor allem im ländlichen Bereich, ist viel zu lang.
In den USA beschäftigt sich die Forschung seit den 1990er Jahren mit ADHS im Erwachsenenalter. Wenn man dann überlegt, dass es bis 2013 gedauert hat, bis hier in Deutschland das erste Medikament zugelassen wurde, ist das schon krass. Und dann verschreibt es auch nicht gleich jeder Psychiater.
Angelina Boerger ist Journalistin und betreibt sehr viel Aufklärungsarbeit zum Thema ADHS im Erwachsenenalter. Sie hat das Buch „Kirmes im Kopf“ geschrieben und betreibt eine gleichnamige Instagram-Seite. Sie hat im Erwachsenalter herausgefunden, dass sie ADHS hat. Abgesehen davon gilt auch: ADHS ist nicht gleich ADHS. Es ist nicht bei jedem gleich ausgeprägt und hat die gleichen Auswirkungen. Es gibt schon auch Unterschiede zwischen den Betroffenen, deshalb empfinde ich ADHS für mich mehr wie ein Spektrum. Dadurch kommt es eben auch zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen.
Mein persönliches Ziel ist der Abschluss meines Studiums. Und dann möchte ich in der psychosozialen Beratung tätig sein. Zumindest ist das mein aktueller Wunsch. Und ich möchte in den Bereich Aufklärung gehen. Ich will Aufklärungsarbeit leisten, vor allem im Bereich Arbeitgeber. Das interessiert mich und das ist auch ganz wichtig. Arbeitgeber müssen aufgeklärt werden, wie sie mit psychisch erkrankten oder chronisch erkrankten Mitarbeitern umgehen sollen. Dort mehr Sensibilität zu schaffen, ist wichtig. Diese Sensibilisierung, die es bei körperlichen Einschränkungen schon viel mehr gibt, fehlt oft bei psychischen Erkrankungen.
Hallo!
Ich bin Johannes.
Ich komme aus Leipzig.
Ich studiere Soziale Arbeit.
Ich habe ADHS.
ADHS ist eine Abkürzung.
Die Abkürzung steht für:
Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung.
Menschen mit ADHS nehmen Dinge anders wahr.
Das heißt:
Viele Informationen strömen auf sie ein.
Informationen werden nicht gefiltert.
Deshalb kann jemand mit ADHS sich manchmal schwer konzentrieren.
Es hat mir geholfen zu erfahren:
Ich habe ADHS.
Ich kenne jetzt die Ursache für viele von meinen Problemen.
Und ich muss mich nicht mehr verstellen.
Ich kann sagen:
Mein Verhalten liegt an ADHS.
Zum Beispiel, wenn ich zu spät komme.
Das ist eine Erklärung.
Es ist keine Ausrede.
Einige Freunde und Verwandte denken:
Das liegt nicht alles an ADHS.
Das verstehe ich auch ein bisschen.
ADHS hat verschiedene Merkmale.
Es gibt auch weitere Auswirkungen.
Wenn ADHS nicht behandelt wurde.
Dann hat man bestimmte Verhaltens-Weisen gelernt.
Damit man besser zurechtkommt.
Viele Menschen haben Vorurteile gegen ADHS.
Viele wissen auch wenig über ADHS.
Deshalb verstehen sie es nicht.
Ich finde:
ADHS ist keine Krankheit.
Bei Menschen mit ADHS funktioniert das Gehirn einfach etwas anders.
Unsere Gesellschaft ist so gestaltet,
dass Menschen mit ADHS Schwierigkeiten haben.
Ich möchte, dass alle mehr über ADHS erfahren.
Deshalb schreibe ich darüber Texte:
- Über meine Erfahrungen,
- über meine Gefühle
- und über Ereignisse aus meinem Leben.
Meine Texte gehen auch um seelische Gesundheit.
Ich trage die Texte in Poetry Slams vor.
Poetry Slams sind Veranstaltungen.
Auf diesen Veranstaltungen werden Texte und Gedichte vorgetragen.
Ich habe lange gedacht:
Inklusion ist nur für Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung.
Inklusion hat nichts mit seelischen Erkrankungen zu tun.
Jetzt denke ich:
Es geht um alle Menschen.
Niemand soll ein Vorteil dadurch haben.
Sondern alle Menschen sollen überall teilhaben können.
Das Gespräch war im 25. Januar 2024.
Johannes
Kurztext in Gebärdensprache (das Video besitzt keinen Ton und keinen Untertitel):