Ich bin Waldorflehrerin. 1994 habe ich angefangen, in einer staatlich genehmigten Ersatzschule für geistig beeinträchtigte Kinder und Jugendliche in Dresden auf Grundlage der Waldorfpädagogik zu arbeiten. Ich war dort viele Jahre Klassenlehrerin.
2010 erlitt meine älteste Tochter, sie war damals neun, eine spontane Hirnblutung. Im Kleinhirn entdeckten die Ärzte ein missgebildetes Gefäß. Miriam befand sich mehrere Tage im Koma. Sie wurde in ihrer Entwicklung schwer zurückgeworfen. Sie konnte wirklich nichts mehr und hat alles neu gelernt: Sprechen, Schlucken, Laufen. Sie hat Probleme mit dem Gleichgewicht und ist nicht so belastbar wie andere in ihrem Alter. Das ist tatsächlich geblieben. Aber alles andere ist wieder da.
Dieser biographische Einschnitt in das Leben eines Kindes ist für die Eltern sehr schwer, weil man das Kind vor der Verletzung kennt. Genau so möchte man es wiederhaben. Ich weiß jetzt, was es bedeutet, Mutter eines betroffenen Kindes zu sein. Das hilft mir auch bei der Beratung von Eltern an meiner jetzigen Schule. Wenn ich von meiner Tochter erzähle, kann ich Eltern damit entlasten und Wege aufzeigen.
Nach dem Unfall von Miriam bin ich in den Schuldienst zurückgekehrt. In mir entstand eine starke Sehnsucht nach der Möglichkeit, inklusiv zu arbeiten und behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam zu unterrichten. Im Frühjahr 2015 bin ich deshalb in die „Neue Waldorfschule Dresden“ gewechselt. Mein Herz hat laut „Ja“ gerufen.
Den Eltern unserer Schüler sage ich: Die Waldorfpädagogik ist urtherapeutisch. Die Bewegungskunst der Eurythmie, das sehr handlungspraktische Arbeiten ab Klasse 1, Handarbeit, musizieren - all das regt die Sinnesbildung an.
Meine Schule will eine inklusive Schule sein und alle Kinder annehmen. Zu meinen Kolleg*innen habe ich gesagt: Ich bin nicht der Koch, der die Suppe rührt. Ich will das Feuer sein! Ich habe eine Vision von einem inklusiven Lebensort. Ich weiß nicht, ob sie funktioniert. Aber ich könnte mir vorstellen, wie ein inklusiver Unterricht gelingen kann.
Das Ziel ist, einen gut gemachten Unterricht auf der Grundlage der Waldorfpädagogik anzubieten, so dass für jedes Kind, egal welches Leistungsniveau, etwas dabei ist. Der Unterricht soll ein Geschenk sein und Teilhabe für jedes Kind ermöglichen.
Interview geführt am: 08.04.2021
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Hallo!
Ich bin Grit Hirche aus Dresden.
Ich bin von Beruf Waldorf-Lehrerin.
Der Erzieher Rudolf Steiner hat die Waldorf-Lehre entwickelt.
Bei der Waldorf-Lehre geht es darum:
Alle Bereiche vom Kind sollen gefördert werden:
- sein Körper
- sein Denken
- seine Gefühle
Im Jahr 1994 habe ich als Waldorf-Lehrerin angefangen.
Das war damals in einer Schule für geistig beeinträchtigte Kinder und Jugendliche in Dresden.
Ich war dort viele Jahre Klassen-Lehrerin.
Im Jahr 2010 ist meiner ältesten Tochter Miriam etwas Schreckliches passiert.
Sie war damals erst 9 Jahre alt.
Sie hatte plötzlich eine Hirn-Blutung.
Im Gehirn haben die Ärzte ein kaputtes Blut-Gefäß entdeckt.
Miriam war mehrere Tage im Koma.
Wir hatten Angst um ihr Leben.
Zum Glück ist sie wieder aufgewacht.
Aber sie konnte nichts mehr.
Sie musste alles neu lernen:
- Sprechen
- Schlucken
- Laufen
Sie hat Probleme mit dem Gleich-Gewicht.
Sie kann auch nicht so lange durch-halten wie andere Kinder in ihrem Alter.
Aber ansonsten ist sie wieder wie zuvor.
Die Hirn-Blutung von meiner Tochter war sehr schwer für uns Eltern.
Ich wollte:
Meine Tochter soll wieder ganz gesund werden.
Ich weiß jetzt:
So geht es Eltern von Kindern mit Behinderung.
Das hilft mir auch bei der Beratung von Eltern.
Wenn ich von meiner Tochter erzähle:
Dann kann ich den Eltern Wege aufzeigen.
Nach dem Unfall von Miriam habe ich wieder als Lehrerin gearbeitet.
Ich wollte unbedingt inklusiv arbeiten:
Ich wollte behinderte und nicht-behinderte Kinder gemeinsam unterrichten.
Im Jahr 2015 habe ich deshalb die Schule gewechselt.
Jetzt arbeite ich an der Neuen Waldorf-Schule Dresden.
Ich sage zu den Eltern von unseren Schülern:
Die Waldorf-Lehre ist heilsam.
Zum Beispiel gibt es Eurythmie.
Eurythmie ist Bewegungs-Kunst.
Die Kinder tanzen.
Außerdem machen die Kinder viele Hand-Arbeiten.
Und sie machen viel Musik.
Das alles regt die Sinne an.
Meine Schule will eine inklusive Schule sein.
Und alle Kinder annehmen.
Zu meinen Kolleg*innen sage ich:
Ich bin nicht der Koch, der die Suppe rührt.
Ich will das Feuer sein!
Ich möchte, dass mein Unterricht wirklich inklusiv ist.
Das Ziel ist:
Der Unterricht soll der Waldorf-Lehre folgen.
Ich möchte jedem Kind etwas anbieten.
Der Unterricht soll ein Geschenk sein.
So dass Teilhabe für jedes Kind möglich ist.
Das Gespräch war am 8. April 2021.